Mit seinem hybriden Veranstaltungsformat, das von den Tagungsteilnehmern viel Zuspruch bekam, gab Veranstalter Dieter Gauf schon einmal einen Vorgeschmack auf die kommenden Branchenveranstaltungen. Denn mit dem Ausbruch des Coronavirus sind virtuelle, digitale und hybride Veranstaltungsformate für die kommenden Monate die Alternative zu Präsenzveranstaltungen.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung hob Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, die wirtschaftliche, gesellschaftspolitische und soziale Bedeutung der Bustouristik hervor und bezeichnete die Busbranche als zentrale Stütze für den ländlichen Raum. Pinkwart ging in seinem Vortrag auch auf die Bedeutung der Überbrückungshilfe III ein und sagte: „Diese werden der Reisebusbranche zugutekommen.“ Beispielweise die Förderung der monatlichen Abschreibungskosten für Wirtschaftsgüter (Reisebusse) bis zu 50 Prozent. „Zuschüsse sind von zentraler Bedeutung, aber es muss eine Re-Start-Perspektive geben“, sagte er weiterhin und betonte: „Hilfen sind nicht der Zweck Ihres unternehmerischen Tuns, aber diese ermöglichen einen Re-Start.“
Henning Rehbaum, MdL Wirtschaftspolitischer Sprecher CDU Landtagsfraktion NRW und ehemaliger Geschäftsführer eines Busunternehmens, räumte ein, dass die Politik zu Beginn der Corona-Krise die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Funktion der Busbranche verkannt und sich schwer getan habe, die Zusammenhänge in dieser Branche zu verstehen. Doch das habe sich geändert. Man habe nun erkannt, dass die Busbranche systemrelevant sei. Entsprechend habe man finanzielle Unterstützung für die Branche auf den Weg gebracht, wie z.B. das 80 Millionen-Programm. „Die Politik hat erstmals in der Geschichte des Tourismus verstanden, wer wir sind“, erklärte Jochen Szech, Präsident der Allianz Selbständiger Reiseunternehmer (ASR).
„Die Bustouristik ist Mittelstand pur. Wir wollen, dass die Busbranche mittelständisch bleibt“, so Rehbaum weiter. „Sie werden gebraucht, halten Sie durch“, wandte er sich in seiner Ansprache an die Tagungsteilnehmer. Man kenne jetzt in der Politik die Sorgen der Busunternehmer und werde die Branche weiterhin finanziell unterstützen, versicherte Rehbaum. Ziel nach dem Abflauen der Pandemie sei die kontrollierte Öffnung des Lebens und der Wirtschaft, um auch der Reisbusbranche einen Re-Start zu ermöglichen.
Corona-Krise beschleunigt Digitalisierung
Eines der zentralen Themen des Tag der Bustouristik war die Digitalisierung im Tourismus, die zwar auch schon vor der Corona-Krise voll im Gange war, aber durch sie drastisch beschleunigt wurde und nicht nur alle Bereiche der Wertschöpfung, sondern auch alle Branchen und Firmengrößen betrifft. „Es gibt kaum noch etwas, das man nicht online machen kann“, verdeutlichte Michael Buller, Vorstand Verband Internet Reisevertrieb VIR. Das wird auch enorme Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Reisebusunternehmen und ihre touristischen Produkte haben. Entsprechend müssen sich die Unternehmen auf das „Neue Normal“ einstellen.
Der Digitalisierungsprozess werde auch die Flexibilität und die Individualisierung in der Tourismusbranche wesentlich vorantreiben, ist sich Ralph Schiller, Geschäftsführer und Chief Sales Executive FTI Touristik, sicher. Maßgeschneiderte Themenpakete, dahin werde der Trend im Pauschalreisebereich gehen.
Auf das Thema Digitalisierung ging auch Uwe Lorenz, Geschäftsführer der Eberhardt Travel GmbH, in seinem Vortrag ein. Ihm zufolge haben Internetvertrieb und die Digitalisierung der Verwaltungsarbeiten „die Schicksalsgemeinschaft von Leistungsträgern, Reiseveranstaltern und Reisebüros aufgelöst.“ Will heißen: „Unabhängige Hoteliers haben die vertragliche Bindung an einen Reiseveranstalter nicht mehr nötig, wenn diese ihre Häuser mit online buchenden Konsumenten füllen können.“ Ebenfalls gelte dies auch für die Anbieter von Beförderungsleistungen, Museen, Ferienparks usw. Selbst die „integrierten Reisekonzerne“ mit konzerneigenen Hotels, konzerneigenen Mietwagenflotten, Vor-Ort-Agenturen, Kreuzfahrtschiffen seien unter Druck geraten und bekämen jetzt durch die Corona-politisch bedingten Reiseverbote den Gnadenschuss.
Uwe Lorenz treibt die Digitalisierung in seinem Unternehmen bereits seit einigen Jahren kontinuierlich und zielgerichtet voran. Auch interne Prozesse und Arbeitsabläufe im Unternehmen wurden gerade während der Pandemie digitalisiert und weiterentwickelt. So erzählte er z. B., dass das Eberhardt Travel-Team rund 1.000 Kunden in der Vorweihnachtszeit auf virtuelle Reisen durch die ganze Welt mitgenommen habe: auf eine Weltreise der Schokolade, auf Reisen durch Irland und Schottland, auf eine Reise zu den Weihnachtsbräuchen in aller Welt. „Dabei haben wir immer live unsere ausländischen Partner zu Wort kommen lassen und ins Bild gebracht, damit unsere Verbundenheit erhalten bleibt“, beschreibt er seine Intention. Dazu wurden Verkostungs-Pakete mit kulinarischen Köstlichkeiten verschickt.
Bus- und Gruppentouristiker: Könner und Versteher sinnvoller Reiseorganisation
Lorenz ist überzeugt, dass die Reisebusunternehmen in der Lage sind, den Wandel zu begleiten und mitzugestalten: „Was hindert uns daran, unsere Vielfalt und Einzigartigkeit im Internet zu präsentieren und unsere Produkte zu vermarkten?“ „Wir müssen weg vom Problem, hin zu Lösungen“, appellierte er an seine Busunternehmerkollegen und forderte sie auf: „Wir müssen raus aus der Hoffnungslosigkeit. Wir müssen die Zukunft gestalten und unsere Kunden am Denken halten.“
Die Corona-Krise führe zu einer Veränderung der Kultur der Freizeitgestaltung und des Tourismus-Konsums, erklärte Lorenz weiter. Die Bus- und Gruppentouristik sei in der Lage, den Kulturwandel des Reiseverhaltens erfolgreich zu begleiten und zu befördern. „Wir müssen es nur tun“, sagte er. Schließlich hätten Gruppentouristiker im Gegensatz zu den großen Reisekonzernen eine historische Chance, „die uns durch unsere Kundennähe, unsere unternehmerische Beweglichkeit, unsere intimere Kenntnis touristischer Ziele, die Intellektualität unserer Mitarbeiter, unserer Reiseleiter gegeben ist“, stellte er klar. „Wir wissen nicht nur, wo es Überkapazitäten an Hotelbetten zu füllen gibt, sondern auch, wo es schön, einzigartig, authentisch und sinnvoll ist, hin zu reisen. Und wir kennen auch die Kunden, die nicht nur Costa-nix-Reisen machen wollen“, betonte Lorenz.
Die Gruppenreiseangebote müssten vielfältiger, diverser und einzigartiger werden. „Wir sind Hunderte, wenn nicht gar Tausende Unternehmen, die mit hunderttausenden verschiedenen Angeboten eine neue, eine sinnvolle Reisekultur prägen könnten, die von der Einzigartigkeit eines jeden Angebotes lebt und nicht nur vom Preisvergleich nahezu gleicher Angebote“, so Lorenz weiter. „Wir sollten unsere Arbeit als Unternehmer nicht nur auf die Jagd nach Überbrückungshilfen beschränken. Wir sind und bleiben Könner und Versteher sinnvoller Reiseorganisation für anspruchsvolle und lebendige Menschen. Wir arbeiten weiter an unseren Reisen wie an Kunstwerken.“
Wie geht‘s weiter?
Aktuell ist dies eine sehr schwierige und absolut unvorhersehbare Frage. Letztendlich wird die „Macht des Faktischen entscheiden wie und in welcher Form es weitergeht, sagte Ralph Schiller. Die Politik könne das nicht bestimmen. Dass die Busbranche auch dieses Jahr mit Einschränkungen zu kämpfen hat, damit müsse man rechnen, sagte Lorenz. Aber er ist zuversichtlich, „wenn die Hilfen weitergehen, können wir die Situation bewältigen.“
Einig waren sich die Referenten vor allem auch darin, dass die Reisebusse in Zukunft mit kleineren Gruppen unterwegs sein werden – ein Trend, der sich aber nicht jetzt erst abzeichnet, der aber wie die Digitalisierung auch, durch die Pandemie einen Schub bekommt. Eine Entwicklung, auf die sich vor allem die Hotellerie einstellen müsse, wurde von den Bus- und Gruppentouristikern gefordert. Die Tendenz hin zu kleinen Gruppen sei bei den Hotels immer noch nicht angekommen und das schlage sich hartnäckig in den Angeboten nieder, die sich nach wie vor an großen Gruppen orientierten, wurde bei der Tagung bemängelt. Der Appell an die Leistungspartner lautete: „Wir brauchen Verständnis und Flexibilität.“ Die Arbeitsbeziehung müsse auf Augenhöhe und auf Vertrauen aufgebaut sein, darauf komme es an.
Die Planbarkeit bleibt für die Tourismusbranche nach wie vor eine große Herausforderung und „verlangt Geduld und Flexibilität“, wie Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), berichtete. Die Reiselust sei weiterhin ungebrochen. Deutschland werde in den Umfragen Reiseziel Nr. 1 genannt.
Angesichts der Corona-Pandemie bezweifelt Thomas Bareiß (CDU), Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, dass Urlaubsreisen in den Osterferien wieder möglich seien werden, das sagte er am 11. Januar 2021 in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv. Er ist der Meinung, dass sich die Situation erst ab den Pfingstferien wieder zum Besseren hin entwickeln wird.
In der Zwischenzeit müsse das Vertrauen in die Reise und in die Destination gestärkt werden, nennt Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands DTV, als eine wichtige Maßnahme. Als einen weiteren signifikanten Punkt nannte Kunz das Thema Aus- und Weiterbildung im Tourismus, das in den Fokus gerückt und gezielt angegangen werden müsse. Auch Uwe Lorenz regte Gruppentouristiker an, die Aus und -Weiterbildung von Reiseleitern voranzutreiben und die Bezahlung angemessen zu gestalten.
Zum Abschluss der Tagung betonte Dieter Gauf erneut, dass die neue Normalität eine andere sein wird, aber die Bus- und Gruppentouristik sich in ihr zurechtfinden wird. Schließlich sei die Branche krisengeübt.
Der 40. Tag der Bustouristik wird im Januar 2022 in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden ausgerichtet.