Böse Wölfe, unschuldige Kinder, gemeine Räuber und missgünstige Stiefmütter – die Märchen der Brüder Grimm unterscheiden häufig zwischen Gut und Böse. Dabei regen sie auch zum Nachdenken über Recht und Unrecht an.
„Die Ausstellung beleuchtet die Frage nach Recht und Unrecht in drei Kapiteln und spannt einen Bogen von den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm über ihr Leben und Wirken bis in unsere Gegenwart“, erklärt Jan Sauerwald, Geschäftsführer und Programmleiter der Grimmwelt Kassel.
Im ersten Teil werden die Figuren und Handlungen dreier ausgewählter Märchen untersucht. Denn einige Charaktere sind bei genauerer Betrachtung ambivalenter, als man zunächst vermuten würde. Die Besucher seien dazu aufgefordert, die gängige Einteilung von Gut und Böse im Märchen infrage zu stellen und eine individuelle Einschätzung abzugeben.
Spur des Rechts zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der Brüder Grimm
Ein Zitat von Jacob Grimm leitet in den nächsten Bereich der Ausstellung über: „Dass Recht und Poesie miteinander aus einem Bette aufgestanden waren, hält nicht schwer zu glauben.“ Bereits in seinem Aufsatz "Poesie im Recht" aus dem Jahr 1815 stellt Grimm damit die Verbindung zwischen seiner rechts- und sprachwissenschaftlichen Forschung her – und meint damit auch die Märchen.
In diesem Kapitel steht ein eher unbekanntes Werk Jacob Grimms im Zentrum: die „Deutschen Rechtsalterthümer“, sowie die Einordnung dieser Grundlagensammlung der Rechtsgeschichte in das Gesamtwerk der Brüder. Neben einem Blick in Jacob Grimms Forschung werden wissenschaftliche und familiäre Prägungen beleuchtet. Hier wird deutlich: Die Spur des Rechts zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der studierten Juristen Jacob und Wilhelm Grimm – ob als Teil der "Göttinger Sieben" oder als Verfechter eines freien und geeinten Deutschlands, als die die Brüder ebenso gelten.
Die Ausstellung wolle aber auch darstellen, welche politische und rechtliche Situation im kleinstaatlich geprägten Deutschland zu dieser Zeit herrschte und welche Auswirkungen dies auf das Leben der Grimms und anderer Menschen Mitte des 19. Jahrhunderts hatte, erläutert Jan Sauerwald.
Die Worte Jacob Grimms „Das Recht ist die Wahrheit und Wahrmachung, welche dem Tag an Licht und Klarheit gleichet“ führen in das letzte Ausstellungskapitel. Sie knüpfen die Verbindung zu unserer heutigen Realität, unserem Rechtsempfinden sowie unserem modernen, aber auch komplexen Rechtssystem.
Schafft Recht immer Gerechtigkeit?
Ein Blick auf die Gegenwart eröffnet hier neue Perspektiven. So wird etwa die Frage aufgeworfen, ob das Recht immer auch Gerechtigkeit schaffe. Am Beispiel des aktuellen Themas des „Whistleblowings“ stellt die Ausstellung unterschiedliche Positionen aus NGOs, Wirtschaftsverbänden und der Presse zur aktuellen Gesetzeslage dar und verdeutlicht damit, dass das Recht einem stetigen Wandel unterworfen ist.
Das Publikum ist in der Ausstellung eingeladen, sich an vielen Mitmachstationen zu verschiedenen Fragestellungen zu äußern und selbst Partei zu ergreifen. Darüber hinaus präsentiert „Akte Rumpelstilzchen. Eine Spurensuche in Märchen und Recht“ einzigartige Leihgaben und aufschlussreiche Lebensdokumente aus zahlreichen Institutionen, Museen und Privatbesitz – darunter auch bisher nicht in der Öffentlichkeit gezeigte Werke wie eine Federzeichnung Ludwig Emil Grimms (1790-1863), dem jüngsten Bruder von Jacob und Wilhelm. Interviews mit Experten zu historischen und aktuellen Themen sowie abwechslungsreiche Film- und Hörstationen runden die Schau ab.
Eine speziell für die Ausstellung entwickelte Augmented Reality-App biete „überraschende Extras“ und ermögliche es, weiteres Hintergrundmaterial zu den einzelnen Exponaten zu erforschen. Gefördert wird dieses innovative Vermittlungsformat von der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. (ALG) und der cdw Stiftung gGmbH.
Die Sonderausstellung ist bis zum 14. April 2024 zu sehen.