Wer den Friedrichstadt-Palast besucht, betritt ein lebendiges Museum, ist das Haus doch auch und gerade Zeitzeuge und nicht „nur“ Theater. Wer seine Reisegruppen zu einer Veranstaltung in den Palast entführt, kann eine Menge Wissenswertes erzählen. Die Bühnengeschichte des Palastes reicht zurück bis 1919, als Max Reinhardt das Große Schauspielhaus eröffnete. Im Dritten Reich hieß das Haus „Theater des Volkes“. Erst seit 1. November 1947 trägt es den Namen „Friedrichstadt-Palast Berlin“. Am 29. Februar 1980 musste der alte Palast unter der Adresse 'Am Zirkus 1' aus baustatischen Gründen von der Bauaufsicht geschlossen werden. Nach 39 Monaten Bauzeit wurde der neue Palast 1984 am neuen Standort, der Friedrichstraße 107, feierlich eröffnet – fristgerecht und fünf Millionen (Ost-)Mark unter dem geplanten Baubudget von 219 Millionen. 22.500 Glasbausteine zieren bis heute die ikonische Fassade des letzten großen Repräsentationsbaus der DDR.

Am Vormittag des 27. April 1984 erhielt der damalige Hausherr und Direktor Wolfgang E. Struck den symbolischen Schlüssel zum neuen Palast. Am Abend hob sich unter Anwesenheit der damaligen SED-Spitze, dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, seiner Frau und Volksbildungsministerin Margot sowie Planwirtschaftsminister Günter Mittag, zum ersten Mal der Vorhang im neuen Haus. Die vier Sitzplätze in der Mitte der dritten Reihe heißen im Haus bis heute inoffiziell „Honecker-Plätze“, obwohl Honecker tatsächlich nur dieses eine Mal im Palast zu Gast war.

 

Eisfläche und spektakuläre Wasserbecken

Das Haus bietet technische Möglichkeiten, die seinerzeit als höchst innovativ bezeichnet werden durften. Mit einem Hubpodium können eine Eisfläche, eine Manage und das spektakuläre Wasserbecken bewegt werden. 1987 wurde in Zusammenarbeit mit der Leningrader Music Hall ein einmaliger Weltrekord aufgestellt: Beide Ballettcompagnien zusammen brachten mit 64 Tänzerinnen die längste Girlreihe der Welt auf die Bühne in Ost-Berlin. Nach dem Fall der Mauer ließ der gewohnte Gästestrom zunächst nach. Der Palast landete auf der ‚Abwicklungsliste‘ des Senats und geriet in existentielle Not, da das Unterhaltungstheater zu dieser Zeit nicht als förderungswürdig galt.

1993 ging es jedoch wieder bergauf: Der ehemalige Dramaturg des Hauses, Alexander Iljinskij, wurde neuer Intendant und verschaffte dem Haus ein Comeback und einen Ankerplatz in Berlin. Zwei Jahre später wurde es in die bis heute bestehende landeseigene GmbH überführt. Der Saal erhielt 1999 ein Make-Over und die charakteristische blaue Optik, wie man sie heute kennt. Dann, im Jahr 2006, der Absturz: eine schwere künstlerische Krise kulminiert in der Spielzeit 2007/08. Am 1. November 2007 bestellt der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einen neuen Intendanten und alleinigen Geschäftsführer: Berndt Schmidt. Schmidt bleibt insgesamt 16 Jahre auf diesem Posten. Seiner ersten Großproduktion „Qi – eine Palast-Phantasie“ (2008) gelingt es, das Genre der Revue zu entstauben und im 21. Jahrhundert ankommen lassen. Seither übertrifft der Palast mit jeder neuen Grand Show die vorherige. Im Jahr 2023 kam das Unternehmen auf Ticketerlöse in Höhe von 28 Millionen Euro. 2007 lagen diese nur noch bei zwölf Millionen Euro. Im 40. Jubiläumsjahr deuten sämtliche Kennzahlen darauf hin, dass die aktuelle Grand Show "Falling | in Love" erneut auf Rekordjagd ist.

„Für mich als Westgeborenen ist es eine Auszeichnung und Ehre an dieser bedeutenden ostdeutschen Institution wirken zu dürfen“, sagt Berndt Schmidt. „Es erleichtert mich, dass dieses Juwel die Wende überlebt hat und heute aus dem Kulturangebot Berlins gar nicht mehr wegzudenken ist.“ Der Friedrichstadt-Palast sei mit Abstand die Nummer eins der Berliner Bühnen – ihn besuchten so viele Gäste wie Nummer zwei und Nummer drei zusammengenommen. Zum Leben erweckt den Palast ein multiethnisches Ensemble, das so einzigartig sei wie das Haus selbst.