„Falsch abgestellte Fahrzeuge im Straßenraum verlangsamen den Busverkehr massiv. Dies sorgt regelmäßig für Verspätungen im Fahrplan”, erklärt Marion Hebding, seit kurzem neue kaufmännische Geschäftsführerin bei ESWE Verkehr. „In den meisten Fällen müssen unsere Fahrerinnen und Fahrer in den fließenden Verkehr einfädeln, um ein Hindernis umfahren zu können. Schlimmstenfalls stehen unsere Busse dann mit den anderen Verkehrsteilnehmenden im Stau. Fahrgäste kommen nicht rechtzeitig an ihr Ziel und sind zurecht verärgert.”
Aber auch für die Busfahrerinnen und Busfahrer bedeuten blockierte Bus- und Umweltspuren zusätzlichen Stress, berichtet Hebding. „Die Belastung, im Wiesbadener Straßenverkehr unterwegs zu sein, ist ohnehin schon sehr hoch. Wenn unsere Fahrerinnen und Fahrer aber dann noch regelmäßig Falschparkende umkurven müssen, kostet das unnötig Zeit und Nerven. Am Ende entstehen so auch gefährliche Verkehrssituationen. Mit den Frontkameras in unseren Linienbussen haben wir nun ein Werkzeug dagegen selbst in der Hand. Das ist gerade für unser Fahrpersonal unglaublich wichtig”, so Hebding weiter. ESWE Verkehr plant, bis Ende 2024 etwa 30 der über 290 Linienbusse mit einem Frontkamera-System auszustatten.
Datenschutz wird voll erfüllt
Die Frontkameras können vom Fahrpersonal mit einem Knopfdruck am Fahrerarbeitsplatz ausgelöst werden. Dabei wird eine Fotoserie erstellt, in der mittels GPS-Daten der Standort sowie die exakte Uhrzeit enthalten sind. Dieser Fotobeweis, der alle datenschutzrechtlichen Vorgaben erfüllt, wird bei ESWE Verkehr in einer manuellen Prüfung ausgewertet und an die städtischen Verkehrsbehörden weitergeleitet. Diese entscheiden dann, ob ein entsprechendes Bußgeldverfahren eingeleitet wird. Bisher war es für die Fahrerinnen und Fahrer von ESWE Verkehr nur handschriftlich möglich, eine entsprechende Meldung über Falschparkende im Liniennetz zu erfassen. Mit den Frontkameras wird dieser Prozess nun digitalisiert und für das Fahrpersonal deutlich vereinfacht.
Das gesamte Verfahren wurde in drei Testphasen erprobt. Den Auftrag dazu erteilte der städtische Mobilitätsausschuss bereits Ende 2021. Immer mit eingebunden waren die Straßenverkehrsbehörde sowie die Verkehrspolizei der Landeshauptstadt Wiesbaden. Die Abteilungsleiterin der Wiesbadener Verkehrspolizei, Viola Braun, sagt: „Der Einsatz von Frontkameras in Wiesbadener Linienbussen ist gemeinsam mit uns entwickelt worden. Alle gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben werden eingehalten. Wir unterstützen dieses Projekt und das damit verbundene Ziel, den Busverkehr in Wiesbaden zu beschleunigen.”
An insgesamt 19 Tagen während der Testzeiträume in April, Mai und Juni 2023 konnten durch ESWE Verkehr insgesamt 311 Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung mittels Fotobeweis dokumentiert werden. Falschparkenden auf Busspuren droht ein Bußgeld von 70 Euro. Bei Behinderung auf Umweltspuren kommt zu diesem Bußgeld noch ein Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg hinzu.
„Wir sind davon überzeugt, dass die Frontkameras in unseren Bussen, vor allem eine abschreckende Wirkung haben werden. Damit sollte es uns gelingen, den Busverkehr in der Stadt zu beschleunigen, unsere Fahrgäste schneller und sicher ans Ziel zu bringen und unsere Fahrerinnen und Fahrer zu entlasten”, so ESWE-Verkehr-Geschäftsführerin Marion Hebding abschließend.
Hintergrund: 55 Jahre Busspuren in Wiesbaden
Am 1. September 2018 beging die hessische Hauptstadt Wiesbaden einen ganz besonderen Jahrestag, wenn auch etwas im Verborgenen: Vor 50 Jahren hatte der 2016 verstorbene, in verkehrlichen Dingen beinahe legendäre Diplom-Ingenieur Rolf-Werner Schaaff, damals Leiter des Amts für Verkehrswesen, noch ohne eine entsprechende rechtliche Grundlage die erste Busspur Deutschlands erfunden. Heute verfügt Wiesbaden über 50 Busspuren auf einer Länge von rund 50 Kilometern überall in der Stadt.
„Pioniere bewegen sich manchmal auch im rechtsfreien Raum: Formjuristisch war die Einrichtung der deutschlandweit ersten Busspur in Wiesbaden 1968 mangels Rechtsgrundlage nicht abgesichert,“ so vermeldete damals die ESWE, das Verkehrsunternehmen der Hauptstadt mit der Lilie im Wappen, per Pressemeldung. Immerhin, das Land Hessen führt den 1. September im Internet sogar als offiziellen Gedenktag der Busspur. Bis zum 1. März 1970 dauerte es dann aber noch, bis eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung, eine Einführung von Busfahrstreifen offiziell legalisierte. Im gleichen Jahr wagte es auch die (West-) Berliner BVG, den „großen Gelben“ Doppeldeckern (damals noch von der Waggon-Union gebaut) erstmals Vorrang einzuräumen.