Das Ziel lautet laut ESWE Verkehr-Mitteilung, „sich an die künftigen Herausforderungen des Wiesbadener ÖPNV besser auszurichten. ESWE-Verkehr-Geschäftsführer Jan Görnemann sagt dazu: „Wir gehen einen Schritt auf einem Weg zurück, um zwei Schritte auf einem anderen Weg vorwärts zukommen.“ In Abwägung aller Argumente habe man sich bewusst dafür entschlossen, bei einer Neuausrichtung der Fuhrpark-Strategie auf die Wasserstoff-Technologie zu verzichten. Erst im Oktober 2021 waren die ersten Brennstoffzellenbusse des portugiesischen Herstellers Caetano in Betrieb genommen worden. Immer wieder hatte es allerdings auch Beschwerden von Fahrern gegeben, dieser seien nicht optimal an deren Bedürfnisse angepasst. Zudem muss die Millionen Euro teure Wasserstofftankstelle repariert werden und ist derzeit nicht in Betrieb.

 

Frank Gaefgens ambitionierte Transformation ist gescheitert

Das von dem ehemaligen Geschäftsführer Frank Gaefgen (heute Geschäftsführer in Münster) eingeleitete Transformationsprogramm beschränkt sich damit weitgehend auf die Batteriebusse von Mercedes-Benz, die hier überwiegend mit den Festkörperbatterien von Blue Solutions ausgestattet sind, die 2020 mutmaßlich den Großbrand des Stuttgarter SSB Depots ausgelöst hatten und auch wiederholt in Paris gebrannt hatten. ESWE Verkehr sagt zu seinen Batteriebussen: „Mit 120 batterieelektrischen Fahrzeugen betreibt ESWE Verkehr bereits eine der größten emissionsfreien Busflotten Deutschlands, nur in Hamburg ist derzeit die elektrische Busflotte größer.“ Positives spricht man aber auch über die vorhandene Dieselflotte, die als eine der ersten in Deutschland auf Euro aufgerüstet und mit einem großen „Record Run“ begangen wurde: „Das Rückgrat bilden aber derzeit die 130 Diesel-Gelenkbusse; alle mit der EURO-6-Abgasnorm ausgeliefert oder nachgerüstet. Wir sehen jeden Tag, dass zum jetzigen Zeitpunkt zwei Antriebstechnologien für Wiesbaden in unserer Werkstatt-Infrastruktur schon sehr anspruchsvoll sind“, so Görnemann weiter. Gerade der Aufbau der Elektroinfrastruktur hatte im Nachgang des Stuttgarter Depotbrandes für erheblichen Aufwand und Kosten für ESWE Verkehr gesorgt, musste doch der Brandschutz massiv nachgebessert und ein ganzes Schleppdach mit Solarpanelen abgerissen werden.

 

Der ehemalige Geschäftsführer Frank Gaefgen mit dem ehemaligen Bürgermeister Sven Gerich.  Foto: Wagner

 

Erster Schritt zum Doppelgelenkbus: 18,75 Meter Diesel von MAN

„Um der hohen Nachfrage im städtischen Busnetz aber weiter gerecht werden zu können, werden Busse mit größerer Fahrgastkapazität gebraucht. Deshalb beschafft ESWE Verkehr für die Jahre 2022 bis 2024 nochmal insgesamt 36 moderne Diesel- Gelenkbusse.“ Diese seien dann mit 18,75 Meter fast einen Meter länger als bisherige Gelenkbusse und verfügten auch durchweg über vier Türen. Zumindest die ersten 12 Busse seien MAN, was für Wiesbaden als weiterer Bruch der Traditon gelten kann, ist doch Daimler quasi Hauslieferant und hat auch die gesamte Elektromobilität schlüsselfertig als Generalunternehmer erstellt. ESWE weiter: „Solche Busse gibt es mit sogenannten alternativen Antrieben derzeit jedoch nicht auf dem Markt,“ was in dieser strikten Auslegung nicht stimmt, mindestens Solaris und wohl auch Van Hool könnten Elektro und Wasserstoffbusse liefern, aber ESWE will nach dem Caetano Abenteuer wohl eher auf Nummer Sicher gehen. 

Allein schon der knappe Meter mehr Länge (immerhin könnte man auch 19,5 oder 21m lange CapaCity von Daimler ordern!) bedeute bei dem zu wenigen Platz auf dem Betriebshof in der Gartenfeldstraße eine große Herausforderung, berichtet Görnemann. „Wir brauchen jetzt dringend eine Lösung für weitere Betriebshofflächen, damit wir auch mit der Wartung, Instandhaltung und Instandsetzung unseres Fuhrparks unserer Aufgabe, für den ÖPNV in Wiesbaden zu sorgen, überhaupt weiter nachkommen können.“ Das klingt beinahe schon nach einem Offenbarungseid des neuen Geschäftsführers, der die undankbare Aufgabe hat, das ESWE-Chaos zu bereinigen.

 

Große Probleme mit der Betriebshoffläche

Die Wiesbadener Politik sieht das Thema sehr kritisch. "Man hat sich seitens der ESWE keine Gedanken über einen zweiten oder dritten Betriebshof gemacht", teilte Silas Gottwald, verkehrspolitischer Sprecher der Wiesbadener SPD der Hessenschau mit. Gottwald beschuldigt die alte Geschäftsführung, in diesem Punkt versagt zu haben. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Wiesbadener Rathaus spricht in der „Hessenschau“ von einem "Versagen" der alten Geschäftsführung, der neue Geschäftsführer Jan Görnemann gar von "Größenwahn" seiner Vorgänger. 

Einstweilen geht die ESWE konzertiert voran: "Die Neuausrichtung der Fuhrparkstrategie des Mobilitätsdienstleisters sieht vor, perspektivisch weitere zwölf Meter lange Solo-Busse aus dem Fuhrpark herauszunehmen: insgesamt 61 Dieselfahrzeuge sowie zehn Brennstoffzellenbusse. Langfristig sollen dann in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts batterieelektrische Gelenk- und auch ein Teil Doppel-Gelenk-Busse von Hess beschafft werden" – vorausgesetzt ESWE Verkehr steht dann eine weitere Betriebshoffläche zur Verfügung. „Vorher ist das unmöglich“, stellt Jan Görnemann klar. Die Verkehrsgesellschafft stellt derzeit eine große Nachfrage nach allen zwölf Meter langen Fahrzeugen fest.  ESWE Verkehr sei bereits in einen Dialog mit allen Projektbeteiligten des Wasserstoff- Projektes eingetreten, um über das weitere Vorgehen zu beraten und die nächsten Schritte zu planen. Der Mobilitätsdienstleister wird zu gegebener Zeit über weitere Details zum Fortgang berichten. Bis dahin seien jedoch alle Partner "an ihre vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflichten gebunden". Denkbar wäre aber eine Übernahme der Busse von der Mainzer Mobilität, die ebenfalls Wasserstoffbusse betreiben und etwas weniger ambitioniert vorgegangen sind in den letzten Jahren.