Kurz vor Weinachten erfreute das Bundeswirtschaftsministerium die Branche noch mit einer frohen Botschaft mit einem wenigstens der Jahreszeit angepasstem Motto: „ELCH“. Das Kürzel soll für „Electric Coach“ stehen und mit rund 8,6 Millionen Euro Fördersumme vor allem bei der jungen Daimler Truck AG, die ja nun auch Daimler Buses beinhaltet, Verwendung finden. Immerhin ist der für Daimler und seine Marke Mercedes-Benz nicht eben rühmliche Elchtest, bei dem eine A-Klasse bei Pressetests mehr oder weniger kontrolliert gekippt wurde, schon wieder 26 Jahre her – und Menschen wie Institutionen vergessen eben gerne. Vergessen sind auch weitgehend die staatlichen Fördermillionen, die Ende der Nuller Jahre und Anfang des neuen Jahrtausends in Wasserstoffprojekte wie CUTE, HyFLEET:CUTE oder CHIC gesteckt wurden. Übrig ist davon fast nur noch eine erstaunlich stabil laufende Museumsflotte an Wasserstoffbussen, die sich im Industriepark Höchst mit eigenen Prototypen-Ersatzteilen selbst am Leben erhält. Dem letzten MAN-Wasserstoffverbrenner mit Turbolader und Rangeextender-Brennstoffzelle wurde nicht einmal der Museumsstatus gegönnt. Nach Ende der Förderungen ließen beide Konzerne das Thema weitgehend fallen und waren einige Jahre weitgehend ohne alternative Antriebe unterwegs. In Sachen Wasserstoff muss für den Mercedes-Stadtbus jetzt sogar im ersten Schritt auf japanische Serientechnik von Toyota zurückgegriffen werden.

 

Dabei sind Strategie und auch die industrielle Umsetzung für den Truck, der jetzt wieder die technologische Führungsrolle beim elektrifizierten Nutzfahrzeug übernimmt, mit der Kooperation mit Volvo im neuen Gemeinschafsunternehmen „Cellcentric“ recht klar vorgezeichnet bis 2030. Und die sehr sinnvolle Zweigleisigkeit zwischen Batterie- und Wasserstoffenergiespeicher dürfte relativ einfach vom Truck auf den Reisebus übertragbar sein, zumal der deutlich mehr Platz bietet. Warum also jetzt ein Förderprogramm für den Aufbau zweier Batteriebusse? Wenn überhaupt, würde ein Vergleich von Batterie und Wasserstoff Sinn machen in einem solchen aufwendigen Projekt. Auffällig an der vorweihnachtlichen Verkündigung seitens Daimler ist denn auch, dass weder die Wörter „Wasserstoff“, noch „Cellcentric“ oder „Truck“ erwähnt werden, sondern der Eindruck erweckt wird, als fange man mal eben in der Reisebus-Entwicklung mit einem weißen Blatt Papier an. Als viel mehr darf man auch die mitgelieferte Skizze des ELCH kaum bezeichnen, die durchaus auch unter dem Weihnachtsbaum beim kindlichen Zeichnen hätte entstehen können.

 

Spielt die deutsche Nutzfahrzeugindustrie hier also ausreichend mit offenen Karten oder nutzt man die derzeit besonders üppige staatliche „Förderkulisse“ weidlich aus? Ähnlich Verwunderliches passiert bei den Kollegen in München. Auf konzernbefehliges Geheiß aus Wolfsburg und von Traton wird bei MAN seit Jahren die Batterie vergöttert und Wasserstoff nach allen Regeln der kommunikativen Kunst schlechtgeredet. Nur um dann was zu tun? Eine staatlich mit rund zehn Millionen Euro geförderte Wasserstoff-Truckflotte mit dem klingenden Namen „Bayernflotte“ auf die Räder zu stellen – was fast schon an Zynismus grenzt. Aber Herr Söder konnte bei einem schönen Termin in seiner fränkischen Heimat glänzen denn der Wahlkampf sitzt ihm auch schon wieder mit heißem Atem im Nacken.

 

Die Politik sollte gelernt haben aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahrzehnte. Wenn Konzerne wirklich in einer Technologie nachhaltig Zukunft und Gewinne sehen, dann ist es ihre ureigene Aufgabe und auch Motivation, hier selbst tätig zu werden. Die Millionen sollten dann besser in die kritischen Zukunftsinvestitionen fließen wie das autonome Fahren, das zum Beispiel gerade bei ZF und den neuen Player Benteler/Holon weiter an Fahrt aufnimmt. Hier sind die großen Hersteller wieder ziemlich blank derzeit, was den Bus angeht. Könnte also wieder ein ELCHtest werden – auch ohne den Schlitten des Weihnachtsmanns.

 

Thorsten Wagner, Chefredakteur