Tatsächlich mutet Oliver Sulzmanns Werdegang bei Behringer wie eine natürliche Entwicklung an. Sein Einstieg ins Unternehmen geht bis in seine Studentenzeit zurück – und auf ein Hobby: Volleyball. Im Hochschulsport kreuzte sein Weg 1988 den von Tina Behringer, Tochter des Behringer-Gründers Konrad Behringer. Dieser war just auf der Suche nach handwerklich begabten Leuten, die einen Messestand auf dem damaligen RDA Workshop aufbauten. Tina berichtete davon, und Oliver Sulzmann, der sein Studium der Geschichte und Journalistik zum Teil selbst finanzierte, fügte seinen zahlreichen Studentenjobs noch einen weiteren hinzu.


Binnen kurzer Zeit begannen seine Behringer-Jobs, sich aufzusummieren, sodass Oliver Sulzmann schließlich auch beim Einräumen des 1990 neu errichteten Bürogebäudes half, den Nikolaus auf der ersten Weihnachtsfeier im neuen Firmendomizil gab, als Urlaubsvertretung für den damaligen Hausmeister fungierte und schließlich ab 1990 in den Sommersemesterferien Behringers Operngruppen im italienischen Verona betreute. 16.000 Gäste zählte die Firma hier pro Saison. Sulzmann unterstützte das Behringer-eigene Büro in Abano mit Reiseleitungen, bei der Arbeit mit den Hotels und den Programmen für die Gruppen – und infizierte sich selbst mit dem Touristiker-Virus. Sein Studium beendete er 1994. Seitdem gehört er fest zur Firmenfamilie des Familienunternehmens. Sogar seine Ehefrau hat er dort kennengelernt.


Sein Spezialgebiet wurde Osteuropa. „Der Bereich steckte, genau wie ich, noch in den touristischen Kinderschuhen“, erinnert sich Oliver Sulzmann. „Eingearbeitet wurde ich von einer Kollegin, die die Frankreich Abteilung leitete, weshalb ich – da die Osteuropareisen noch nicht den ganzen Arbeitstag füllten – gleich noch Teile von Frankreich mit bearbeiten durfte.“ Später erweiterten Österreich, die Schweiz, Teile Deutschlands und viele Musikreisen seinen Verantwortungsbereich. 2006 erhielt er zusammen mit seinem Kollegen Franz Peschke die Prokura und wuchs in Geschäftsleitungsaufgaben hinein. In gewisser Weise war damit auch sein Weg an die Spitze des Unternehmens vorgezeichnet.


Behringer Touristik gilt als Generalist unter den Paketreiseveranstaltern, ein Aspekt, der Oliver Sulzmanns ureigenem Naturell mehr als entspricht: Es sind Vielseitigkeit und Abwechslungsreichtum, die das Leben beleben. „Bei Behringer bieten wir Gruppenreisen sowohl als Standort- wie auch als Rundreisen an, legen Wert auf gehobenes Niveau und ‚Expeditionen‘ in alle Ecken Europas.“ Kultur- und Musik-
reisen galt Konrad Behringers große Leidenschaft, und auch Oliver Sulzmann wurde davon angesteckt. „In Sachen Musikreisen machen wir alles, was für unser Klientel geht, von Klassik bis Musical.“


In 30 Jahren haben sich etliche Highlights angesammelt. „Zu meinen ganz persönlichen Meilensteinen zählen unsere ersten Eigenveranstaltungen in der Semperoper in den 1990er Jahren, dazu die Eröffnungskonzerte in der Frauenkirche, als wir an einem Wochenende über 4.000 Gäste in Dresden begrüßen durften.“ Über 90 Busunternehmen sind damals mit Behringer dabei gewesen – ohne dass Dresden über die erforderlichen Übernachtungsmöglichkeiten verfügt hätte. „Einige Gruppen mussten wir auch außerhalb der Stadtgrenze unterbringen“, erinnert sich Oliver Sulzmann. „Da die Frauenkirche nur 1.800 Plätze hat, haben wir mit dem Träger ein zusätzliches zweites Konzert verhandelt. Und beim dritten haben wir dann auch nochmal fast die Hälfte aller verfügbaren Karten aufgekauft, damit alle Kunden mitkommen konnten. Das war ein echter Höhepunkt.“


Der Großteil der Reisen wird bei Behringer als Busreise geplant, im Portfolio finden sich aber auch Flugreisen, Wander- und Fahrradreisen und sogar Motorradreisen. Was die Zukunft betrifft, so hat diese bei Behringer etwas früher als geplant Einzug gehalten – allerdings ganz unabhängig von Oliver Sulzmanns Berufung in die Geschäftsleitung. „Ich war in die Arbeit im Grunde ja schon komplett eingebunden, seit sich Heidi und Konrad Behringer vor einigen Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben.“ Und für die Geschäftsleitung bedeutete auch Corona keinen Leerlauf. „Wir haben die Zeit für die interne Weiterentwicklung genutzt, u.a. flexiblere Arbeitsmodelle und moderne Arbeitsplätze eingeführt, die Digitalisierung vorangetrieben und die vielzitierte Prozessoptimierung auf den Weg gebracht. Weitere bahnbrechende Neuheiten sind daher vorerst nicht geplant.“


Dennoch steht auch Behringer vor Herausforderungen, speziell durch den Fachkräftemangel. In Bezug auf die weitere Entwicklung des Unternehmens ist Oliver Sulzmann Kontinuität wichtig. „Wir sind dankbar und auch schon ein wenig stolz darauf, dass uns unsere sehr guten, langjährigen Mitarbeiter auch während der Pandemie die Treue gehalten haben.“
Manchmal liegt die Zukunft im besten Sinne am angestammten Platz. „Nach den ungeahnten Herausforderungen durch die Pandemie, den Brexit und den Krieg in der Ukraine, der nicht nur auf die direkt betroffenen Länder touristisch sehr negative Auswirkungen hatte, können wir als Firma auf ein erfolgreiches Jahr 2023 zurückblicken“, sagt der neue zweite Geschäftsführer. „Auch die laufende Saison gestaltet sich bisher sehr erfreulich. Dass mich die Situation mit Blick auf unsere Reisen nach Osteuropa persönlich traurig macht, ist sicherlich nicht verwunderlich.“ Als Generalist profitiere Behringer Touristik dennoch auch von Gegebenheiten, die Schwierigkeiten aufwerfen, denn nicht zuletzt liegt in jeder Schwierigkeit immer auch die Chance für etwas Neues. Vielseitigkeit ist auch hier wieder der Schlüssel: Denn was den Generalisten aus Leidenschaft auszeichnet, ist seine Anpassungsfähigkeit.


Beste Voraussetzungen also für Oliver Sulzmann und Behringer Touristik.

 

Judith Böhnke