Erst im August 2020 hat die ehemalige leichtathletische Leistungssportlerin, deren Paradedisziplin bezeichnenderweise der 400-Meter-Hürdenlauf war, ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms erfolgreich abgeschlossen, nun ist sie in fünfter Generation Inhaberin des von ihrem Ururopa Philipp Schmidt bereits 1911 mit einer Kraftdroschke der Marke Brenabor gegründeten Busunternehmens.

Zwar lag Charlotte Schmidt der Familienbetrieb schon immer sehr am Herzen und mit in die Firma einzusteigen sei „immer eine attraktive Option gewesen“, berichtet sie. „Ich hätte mir aber natürlich schon gewünscht, dass ich das eine Zeit lang mit meinem Vater gemeinsam machen kann. Jetzt sind uns nur ungefähr drei Wochen geblieben, in denen er mich noch ein bisschen einweisen konnte“, bedauert sie sehr. Plötzlich musste alles schnell gehen und die 23-Jährige legte innerhalb kürzester Zeit in einer, wie sie selbst sagt, „Hauruckaktion“ die Prüfung zur Verkehrsleiterin ab, um den Busbetrieb aufrechterhalten zu können.

„Es war eigentlich immer klar, dass wenn mal jemand das Unternehmen übernimmt, dass ich das dann mache. Aber ich hätte mir durchaus auch etwas anderes vorstellen können“, erklärt die Lindenfelserin, deren ältere Schwester Leonie in Berlin als Kommunikationsdesignerin arbeitet. Nach ihrem Abitur an der Martin-Luther-Schule in Rimbach habe sie daher zunächst auch ein wenig zwischen einem Studium der Rechtswissenschaften und dem BWL-Studium, für das sie sich letztlich im Sinne des Familienunternehmens entschied, gehadert. Ihre Studienzeit verbrachte sie schließlich zu zwei Drittel in der Nibelungenstadt Worms und zu einem Drittel im französischen Lyon. In den Semesterferien half Charlotte Schmidt im Buchungscenter des väterlichen Unternehmens aus, machte den Personenbeförderungsschein und unterstützte bei Zubringerfahrten und Flughafentransfers.

Im Dezember stieg sie dann komplett in das Unternehmen ein. Schneller als eigentlich geplant und es ihr lieb war, wurde Charlotte Schmidt nach dem Tod ihres Vaters rückwirkend zur Inhaberin. Als Jüngste im Betrieb ist sie nun Chefin des Lindenfelser Familienunternehmens, in dem 20 Mitarbeiter beschäftigt sind und das über einen neun Reisebusse und vier Achtsitzer umfassenden Fuhrpark verfügt. Dabei hat die Jungunternehmerin die volle Rückendeckung ihrer Familie und der Mitarbeiter, die sie tatkräftig unterstützen.

Neben Senior-Chefin und Oma Inge Schmidt, die auch mit ihren 84 Jahren noch tagtäglich im Betrieb arbeitet, sowie Tante Petra Sattler, die Schwester von Vater Heiko, die am zweiten Unternehmensstandort das Reisebüro und Buchungscenter leitet, helfen auch ihre Mutter Silke, Tante Susanne (die zweite Schwester des Vaters) und ihr Freund Dominik aus, wenn Unterstützung benötigt wird. Ihr Cousin Lars macht gerade seinen Busführerschein und Onkel Dirk und Schwester Leonie sind als Grafikdesigner für die Gestaltung der Website und der Kataloge verantwortlich.

Ganz wichtig sind Charlotte Schmidt auch die „langjährigen und loyalen Mitarbeiter“, wie sie sie beschreibt, auf die sie sich immer verlassen kann. Allen voran Disponent und Fuhrparkleiter Ronny Furitsch, der den Schmidts bereits seit 15 Jahren die Treue hält. „Über die Corona-Pandemie und den Inhaberwechsel hinweg, sind – bis auf einen Busfahrer, der in den Güterverkehr wechselte – alle bei uns geblieben“, berichtet sie stolz und fügt an: „Ich bin wirklich sehr positiv überrascht und dankbar, wie gut alle die neue Situation gerade jetzt in der schwierigen Zeit für die Branche annehmen.“

„Im Moment ist das Hauptziel eigentlich, den Betrieb am Laufen zu halten, aus der Corona-Krise herauszukommen und die hohe Qualität beizubehalten, damit unsere Kunden auch weiterhin mit uns zufrieden sind. In der jetzigen Situation, in der sich die Bustouristik befindet, ist es nicht an der Zeit für große Veränderungen“, klingt sie abgeklärt. Nichtsdestotrotz sei ihr natürlich wichtig, dass man zwar ein Traditionsunternehmen, aber nicht festgefahren ist. „Bei uns hat der Fortschritt Tradition, das ist unser Motto“, macht Schmidt deutlich.

Noch neu als Unternehmerin im Bus-Business gefällt ihr an ihrer Tätigkeit vor allem den Menschen Mobilität, Urlaub und Erlebnis zu ermöglichen, Reiselustige zu den schönsten Zielen Europas zu bringen. „Für mich liegt der Reiz an der Selbständigkeit vor allem auch darin, dass man eben selbstbestimmt arbeiten und die Ideen, die man hat, einfach umsetzen kann.“
Bei aller Selbständigkeit schätzt sie aber auch den Austausch mit anderen Busunternehmern. Hilfreich seien für sie in der aktuellen Lage zum Beispiel auch die monatlichen Meetings des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer (LHO). „Für mich sind andere Busunternehmer keine Konkurrenz, sondern Mitbewerber. Diese Unterscheidung ist mir sehr wichtig. Ich finde, die Sichtweise hilft einfach auch den Markt zu vergrößern und die Bustouristik attraktiver zu machen.“

Und da sieht Charlotte Schmidt durchaus noch Potential. „Die Vielfalt der Reisebusbranche wird einfach nicht verstanden. Das Bild in der Gesellschaft muss unbedingt verändert werden. Busreisen sind einfach wunderschön. Sie sind nicht nur nachhaltig, sondern auch ein tolles Gemeinschaftserlebnis, durch das schon viele Freundschaften entstanden sind“, stellt sie die Vorteile heraus und hofft, dass auch mehr jüngere Menschen in Zukunft den Bus als Reiseverkehrsmittel für sich entdecken.
Anita Faltermann