Würde man den Versuch starten, Franz Krieglsteiner mit zwei Worten zu beschreiben, wären die Worte .,Idee" und .. Umsetzung" die wohl treffendsten Begriffe. Warum das so ist, wird offenkundig, wenn man mit ihm über seinen Job spricht. Denn ein Entwickler im krieglsteinerschen Sinne ist kein Daniel Düsentrieb, der eine Idee hat, die besonders schön oder besonders visionär ist und daraus dann etwas macht. Es handelt sich vielmehr um einen Menschen, der - von der Idee bis zur Umsetzung - die gesamte Prozesskette im Blick hat. Diese besteht aus dem Kunden, der Forschung, der Fertigung, den Lieferanten und dem Preis.

Von der Idee bis zum Verkauf
Alle Komponenten stehen in direktem Zusammenhang und müssen vom Entwickler stets bedacht werden. „Was nutzt es, wenn man etwas entwickelt, das der Kunde nicht bezahlen kann oder wenn es keinen Lieferanten gibt, der zuverlässig die notwendigen Teile liefern kann?", sagt Franz Krieglsteiner. Zu bedenken seien auch Faktoren wie Aufwand und Kosten im Falle von Reparaturen und Wartungsarbeiten sowie die Auswirkungen auf den Wert bei einem möglichen Wiederverkauf des Busses. Wenn einer der Faktoren nicht passt, bedeutet das in der Regel das Aus für die Idee, denn Umsetzungen sind nicht nur aufwändig, sondern auch teuer. Die Entwicklung eines neuen Scheibenwischers kostet uns von der Planung bis zur Verkaufsreife einen sechsstelligen Betrag", sagt der Leiter Konstruktion/Ausstattung bei Evobus. Deshalb muss man immer auch die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz im Blick haben. Um all das abschätzen zu können, benötigt man vor allem eines: jede Menge Erfahrung. Davon hat der 60-Jährige in seinen mehr als 40 Dienstjahren reichlich gesammelt. Deshalb klingelt sein Telefon besonders gerne bei kniffligen Fragen. Eine Antwort bleibt Franz Krieglsteiner dabei selten schuldig.


Im Jahr 1954 in der Nähe von Ulm geboren, absolvierte Franz Krieglsteiner eine Lehre als Technischer Zeichner und stieg 1972 beim Neu-Ulmer Bushersteller Kässbohrer ein. Hier begann er in der Rohbaukonstruktion. In dieser Zeit lernt er auch den Mann kennen, den Franz Krieglsteiner heute als seinen ersten Förderer bezeichnet: Hans Schauz, seinerzeit Leiter der Abteilung Entwicklung bei Kässbohrer. Schauz hatte auf einer USA-Reise die dreidimensionale Windschutzscheibenform einer Straßenbahn bewundert und diese für den Omnibus adaptiert. Von ihm habe er viel gelernt, sagt Franz Krieglsteiner heute. Auch er (Motto: „Es gibt nichts, was mich nicht interessiert“) hat laut eigenen Aussagen seine besten Ideen unter anderem auf fachfremden Messen, die rein gar nichts mit dem Omnibus zu tun haben. „Hier lernt man, Dinge mit anderen Augen zu sehen“, sagt Franz Krieglsteiner. Kurios: Krieglsteiner besaß einst ein Patent auf einen speziellen Wintergarten, den er auf Basis der freitragenden Glaskonstruktion eines Omnibusses entwarf. Auch hier besteht für ihn ein enger Zusammenhang zwischen Vorstellungskraft und Umsetzung: „Man kommt nur so weit, wie man es sich vorstellen kann.“ Ein Satz, der sich prima auf seine Laufbahn als Entwickler übertragen lässt.

Von der Baureihe 200 zur Baureihe 500
Seine nächste Lebensstation im Omnibusbau war 1977 die Karosserie- und Fahrzeugbauschule in Kaiserslauten, die er als Karosserie- und Fahrzeugbautechniker erfolgreich abschloss. Von 1979 bis 1981 arbeitete er im PKW-Bereich von Mercedes-Benz, wo Krieglsteiner unter anderem den Mercedes- Benz W 201, die heutige C-Klasse, mitentwickelte. 1981 ging es zurück zu Kässbohrer in den Bereich Innenausstattung. Eine der damals zentralen Aufgaben: Die Integration einer Fahrzeuganzeige hinter der Windschutzscheibe eines Busses. Mit der Maßgabe: Von außen soll der Bus so schön aussehen wie ein Reisebus, eingesetzt werden soll er aber als Linienfahrzeug. „So entstand 1983 der Doppelverdiener“, schmunzelt Krieglsteiner. 1985 wurde er Teamleiter für Serien- und Kundensonderwunschbearbeitung in der Entwicklung für das Gesamtfahrzeug. Ein weiterer Meilenstein war das Jahr 1991 mit der Baureihe 300 und den legendären „Maikäferspiegeln“. 1993 wurde Franz Krieglsteiner Abteilungsleiter für Interieur, Klimatisierung und Kundensonderwünsche. Nach der Übernahme von Kässbohrer durch die Daimler AG im gleichen Jahr blieb seine Funktion gleich, lediglich die Marke Mercedes-Benz kam in seinem Aufgabengebiet hinzu. In den folgenden Jahren beeinflusste Franz Krieglsteiner maßgeblich die Entwicklung der Modelle Setra S 315 NF, den Mercedes-Benz Travego (1999), die Baureihe 400 (2001) sowie die Setra Comfort-Class und die Top-Class. Sinnbildlich für die Arbeit von Franz Krieglsteiner und seinem Team steht der Markterfolg der Baureihe 500.

Preis fürs Lebenswerk
Für seine Verdienste um den modernen Omnibus und seine Leistungen als Entwickler wurde er auf dem 40. RDA-Workshop mit dem Award „Roter Bus“ in der Kategorie „Lebenswerk“ ausgezeichnet. „Überraschend“, wie er findet. Schließlich würden Awards sonst eher an verdiente Menschen aus den Bereichen Marketing oder Vertrieb verliehen. Gefreut hat er sich trotzdem. Deshalb steht der Award auch an prominenter Stelle in seinem Büro. „Ich finde es gut, dass es Menschen gibt, die mein Thema so sehen und daraus einen Preis abgeleitet haben.“

Ein Leben nach dem Bus
Franz Krieglsteiner tritt zum 15. Oktober 2014 in die sogenannte „passive Phase“ der Altersteilzeit ein. „Das bedeutet, ich gehöre noch zur Firma, ziehe mich aber aus dem operativen Geschäft zurück“, erklärt der 60-Jährige. Seine Stelle wird im Rahmen einer strukturellen Neuaufstellung (weltweit) zwischen den neu geschaffenen Abteilungen „Kundensonderwünsche“, „Interieur“ und „Bestuhlung“ aufgeteilt. „Ich bin der festen Ansicht, dass die Kommunikationstechnologie das Innere des Omnibusses revolutionieren wird“, sagt Franz Krieglsteiner, wenn man ihn auf die Zukunft des Omnibusbaus anspricht. Pläne für sein eigenes Leben nach dem Bus gibt es auch schon: Er will öfter Skifahren. Außerdem baut er gerade ein Haus bei Ulm für sich und seine Frau – ein Plan für den entsprechenden Wintergarten dürfte ja bereits vorliegen. (sb)