Maribel Villafaña Ferrer (30) wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile auf. Sie besuchte dort eine deutsche Schule. Nach ihrem Jura-Studium wurde sie Anwältin in einer der renommiertesten und bekanntesten Anwaltskanzleien in Chile. Zu den Klienten gehörte auch die Firma Microsoft. Maribel Villafaña spezialisierte sich auf Wirtschaftsrecht. Firmen, die Microsoft-Office-Paket- illegal nutzten, wurden abgemahnt, geschädigte Unternehmen vor Gericht verteidigt. Durchaus ein einträglicher Job. Doch es gab etwas, was ihr mehr Spaß machte.
Ein Angebot von Konrad Pramsohler im Netz
Ihr Jurastudium hatte sie u.a. mit kleinen Honoraren aus ihrer Tätigkeit als Reiseleiterin finanziert. Sie war Stadtführerin in Santiago de Chile. Mitunter führten diese Touren auch zu den Weingütern vor den Toren Santiagos. „Weingüter, Weintouren, Weinstraßen, Museen zum Thema Wein und Verkostungen stehen bei den Winzern Chiles genauso auf der Tagesordnung wie bei den deutschen Winzern“, sagt Maribel Villafaña Ferrer und fügt hinzu, dass der chilenische Wein ja auch in Deutschland immer bekannter und beliebter werde. Und weil sie ihre heimliche Liebe zum Reisen im Paragraphenalltag der Kanzlei nicht so ganz vergessen konnte, schaute sie ab und an doch mal in ein Netzwerk für berufliche Kontakte. Dort fand sie eines Tages ein Jobangebot, das sie interessierte. Gesucht wurde ein Geschäftsführer für ein touristisches Büro in Santiago de Chile. Das wär´s doch, dachte sie sich und schickte ihre Bewerbung ab. Doch still ruhte der See.
Ein halbes Jahr hörte sie nichts. Dann kam eine Einladung von Konrad Prahmsohler, der diese Stellenanzeige ins Netz gestellt hatte, zu einem Gespräch in Santiago de Chile. Konrad Pramsohler erfuhr dabei von den juristischen Kenntnissen seiner Bewerberin. Vertragstexte waren ihr Handwerk, in der Gesetzgebung Südamerikas kannte sie sich aus. Grenzformalitäten, Hotelkonditionen, Stornoklauseln – all das musste Eingang in Reiseverträge finden. Konrad Pramsohler merkte schnell, dass das alles bei Maribel Villafaña Ferrer sehr gut aufgehoben sein könnte. Vielleicht überzeugte auch ihr natürlicher Charme ein wenig. Diese Begegnung zwischen Konrad Pramsohler und Maribel Villafaña Ferrer war dennoch alles andere als eine Zufallsbegegnung. Ein Blick zurück: Konrad Pramsohler ist Geschäftsführer des Veranstalters „Word Wide Gruppenreisen“. Ihm ist es gelungen, eines der bemerkenswertesten touristischen Modelle am Markt zu etablieren. Das kam so: Anfang der 90er Jahre führte der Südtiroler Konrad Pramsohler amerikanische Touristen durch Europa. Das Geschäft brummte und hätte so weitergehen können.Doch als im Januar 1991 die USA in den Zweiten Golfkrieg gegen den Irak eingriffen, blieben die amerikanischen Touristen in Europa aus. Die Angst vor Terroranschlägen hielt sie ab.
Aus der geplanten Eröffnung seines Büros in München für Reisen von Amerikanern durch Europa wurde nichts. Konrad Pramsohler, Müßiggang ist ihm fremd, entwickelte nun eine andere Idee: Wenn Amerikaner nicht nach Deutschland kommen, dann bringe ich Deutsche nach Amerika. Er eröffnete ein Büro in Miami und organisierte Gruppenreisen für deutsche Busunternehmen, verschiffte deren Busse nach Übersee, später kaufte er eigene Busse, derzeit sind es fünf Cityliner. In ihnen können deutsche Touristen bei Studienreisen durch die USA den Komfort von Zuhause genießen und auch „ihr“ Fahrer sitzt am Steuer. Vor zwei Jahren kam Konrad Pramsohler auf die Idee, dieses Geschäftsmodell auch nach Südamerika zu exportieren. Er bereiste seither Argentinien, Brasilien, Chile, Peru und Uruguay, sah sich Hotels und Ausflugsziele von Machu Picchu bis Patagonien an, prüfte, wo Busse langfahren können. Als er überzeugt war, dass das, was in den USA funktioniert, auch in Südamerika funktionieren wird, stellte er die schon erwähnte Stellenanzeige – Geschäftsführer für ein touristisches Büro in Santiago de Chile gesucht – ins Netz und fand Maribel Villafaña Ferrer.
Der Gründung von „Andino Tours“, dem Ableger von World Wide Gruppenreisen in Südamerika, stand nichts mehr im Weg. In diesem Jahr war Maribel Villafaña Ferrer zum ersten Mal auf dem RDA-Workshop in Köln dabei. Und das neue Produkt „Südamerika“, der Katalog lag druckfrisch vor, ging durch die Decke. 40 Gruppenreisen wurden gebucht. Auch ein Kundenabend vor Eröffnung des RDA-Workshops trug dazu bei. Die Reisen, die meist mehrere Länder umfassen, dauern zwischen 12 und 21 Tagen. Im Dezember kommen die ersten Gruppen. Auf die Frage, welchen Hinweis sie für deutsche Touristen in Chile parat hätte, was sie tunlichst vermeiden sollten, um nicht anzuecken, antwortet sie: „Auf keinen Fall Alkohol auf der Straße trinken.“ Sie lacht und erinnert sich dabei an den RDA-Abend auf dem Workshop im „Gilden im Zims“, wo das Kölsch unter freiem Himmel erst so richtig schmeckte.
Im Haus des chilenischen Dichters Pablo Neruda
Aber auch ihren Lieblingsort in Santiago de Chile verrät sie gern: Die drei Häuser des Dichters Pablo Neruda. Neruda, Nobelpreisträger für Literatur, hatte sie für seine drei Frauen gebaut, die sein Leben begleiteten. Das schönste sei Isla Negra, sagt Maribel Villafaña Ferrer, 70 Kilometer südlich von der Hafenstadt Valparaiso gelegen. Über den Hang zum Strand wuchern Mittagsblumen, Schwalbenschwärme schwirren durch die Luft, das Meer bricht sich rau an den Felsen. Innen gleicht das Haus einem Boot: Über eine enge Holztreppe gelangt man auf die Kapitänsbrücke, das lichte Schlafzimmer. Von dort aus blickte der Dichter mit seiner großen Liebe Matilde Urruitia auf den Pazifik. Das Bett dabei so ausgerichtet, dass die Sonnenstrahlen die beiden einmal im Lauf des Tages umwanderten: Morgens fielen sie ihnen auf den Kopf, abends geradewegs auf die Zehenspitzen. (jw)