Wenn an einem bestimmten Wochenende im Juni ein Linienbus mit entspannten und gut gelaunten Fahrgästen durch die Region Oberlausitz fährt, dann ist es so weit: Der Kunstbus rollt wieder und begeistert Kunst- und Kulturinteressierte wie auch Kulturbanausen gleichermaßen. Bei diesem Projekt stehen Bus und Kunst ein ganzes Wochenende lang im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung.
Der Kunstbus ist ein ortsübergreifender Kunstevent in der Oberlausitz, der dieses Jahr bereits zum vierten Mal veranstaltet wird (24./25. Juni). In diesem Jahr fahren die Kunstbusse insgesamt sechs Orte in der Oberlausitz an, an denen Kunst entsteht und präsentiert wird. Das Ziel dieses Projekts ist, eine Kunstmarke für zeitgenössische Kunst im Dreiländereck (Sachsen, Polen und Tschechien) zu entwickeln und zu etablieren, indem Kunst- und Kulturschaffende mit Interessierten zusammengebracht werden. „Das ist die perfekte Gelegenheit, die vielfältige Kunstszene der Region zu erkunden“, sagt Stefan Michalk vom Organisationsteam der Kunstinitiative „Im Friese“ und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit.
Das Kunsthappening findet Jährlich an einem Juniwochenende statt und lockt inzwischen auch Besucher aus Dresden in die Oberlausitz. Initiator des Events ist die Kirschauer Kunstinitiative „Im Friese“. Die Idee dazu entstand mehr oder weniger zufällig, wie Stefan Michalk erklärt. Genau genommen während eines Ausflugs zu einem etablierten Kunstevent in Sachsen, der sich „Kunst:offen“ nennt. Zu diesem Event öffnen alljährlich zu Pfingsten Künstler in ganz Sachsen ihre Ateliers, Arbeitsund Ausstellungsräume für Besucher. Wie alle anderen Besucher auch, reisten die Mitglieder der Kunstinitiative „Im Fries“ ebenso mit dem eigenen Pkw an. Dann kam die zündende Idee: Warum macht man daraus eigentlich keinen Gruppenausflug? Gesagt, getan! 2014 rollten am Pfingstwochenende die ersten Kunstbusse im Rahmen der Veranstaltung „Kunst:offen“ und fuhren die einzelnen Ateliers an. Sehr schnell wurde klar, der Kunstbus hat viel Potenzial. Also entschied man sich im darauffolgenden Jahr eine eigenständige Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Eine gute Entscheidung, denn im vergangenen Jahr nutzen bereits 600 Kunstinteressierte das Angebot.
„Ohne die Busunternehmer würde es den Kunstbus nicht geben“, erklärt Stefan Michalk. „Sie ermöglichen die ganze Logistik.“ Der Regionalbus Oberlausitz (RBO) stellt die Technik, Busse und Fahrer zur Verfügung. Darüber hinaus arbeitet man intensiv mit dem Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz- Niederschlesien (ZVON) zusammen. Dieses Jahr ist auch der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) am Projekt beteiligt. „Wir sind quasi im gesamten ostsächsischen Gebiet verankert und bekommen die Unterstützung der Nahverkehrsunternehmen“, so Michalk.
Der Bus spielt bei diesem Event eine besondere Rolle. „Viele Gäste kommen tatsächlich wegen des Kunsterlebnisses im Bus“, bemerkt Michalk. Handelt es sich dabei um Busse mit besonderer Ausstattung oder Atmosphäre? „Die Busse sind reguläre Linienbusse“, erklärt Michalk. Für eine besondere Atmosphäre in den Kunstbussen sorgen die Künstler. „Es ist unglaublich, wie sie es schaffen, einen Linienbus in einen Konzertsaal zu verwandeln“, schwärmt er. Die Gäste steigen ein und sobald sich die Türen schließen, bekommen sie eine besondere Art der Darbietung in den Bussen geboten, beschreibt Michalk das Erlebnis Kunstbus.
Der Bus selbst wird zum Kulturort. Dort gibt es Livemusik, Lesungen, Theater und Kunst. Dieses Jahr gibt es sogar ein Puppenspiel. Der Bus selbst habe sich in den letzten Jahren als ein großer Besuchermagnet erwiesen. Dank Entertainment im Bus habe man erreicht, Menschen, die sich in der Regel weniger für Kunst interessieren, zu begeistern. Durch den Eventcharakter habe das Thema Kunst mehr Zulauf bekommen. Und die Reise im Bus durch die Oberlausitz erhalten die Gäste on top.
Als die Veranstaltung 2014 erstmals stattfand, „hatten wir Schwierigkeiten, Busfahrer zu finden, die am Wochenende die Kunstbusse fahren wollten“ erinnert sich Michalk an die anfänglichen Wehwehchen. Das Problem habe sich aber rasch erledigt. Heute würden sich die Busfahrer beinahe darum streiten, wer am Kunstbus-Wochenende fahren darf. Es sei auch für die Busfahrer zum Happening geworden.
Die Busse touren an beiden Tagen von 11 bis 19 Uhr zwischen den Orten hin und her. Mit einem Kunstbus-Ticket, das regulär neun Euro kostet, kann man sie am gesamten Wochenende uneingeschränkt nutzen und erhält freien Eintritt in alle teilnehmenden Kunstorte. Der Kunstbus fährt dieses Jahr die Orte Kamenz, Panschwitz-Kuchau, Demnitz- Thumitz, Pulsnitz sowie Kirschau und Bautzen an. Vor Ort können die Besucher Ausstellungen, Performances, Musik und Tanz erleben.
Das Projekt wird teilweise vom Kulturraum Niederschlesien gefördert. Der Großteil des Finanzbedarfs wird aber durch Sponsoren gedeckt, wie Michalk berichtet. Die Busunternehmen seien „Feuer und Flamme für die Idee“ und würden einen sehr großen Beitrag dazu leisten, damit das Projekt überhaupt realisiert werden könne.
Auch in Zukunft soll der Kunstbus an einem Wochenende im Juni Kunstbegeisterte mit ortsansässigen Künstlern und Kunstorten zusammenbringen. Als Kunstverein habe man die Bedeutung von Kunst als wichtigen Standortfaktor erkannt, sagt Michalk. Man wolle mit diesem Projekt dem Bevölkerungsschwund und der Abwanderung von Industrie entgegenwirken. „Auf Kunst siedelt sich Gewerbe an“, unterstreicht er. Als Musterbeispiel für ein gelungenes Projekt nennt er die Baumwollspinnerei in Leipzig, das als Vorbild diene. Die einst größte Spinnerei Kontinental-Europas hat sich radikal gewandelt und zum Kunstzentrum entwickelt. Askin Bulut