Lehrer wollte Kai Neumann ursprünglich werden, Lehrer für Geschichte und Politik, doch dann zog es sein Herz doch nicht in Klassenräume. „Ich wollte nicht mein Leben lang in der französischen Revolution und anderen vergangenen Ereignissen stecken“, sagt der 42-Jährige. „Ich wollte Neues lernen und Neues machen.“ Nach dem Studium ergriff er die Gelegenheit beim Schopfe und begann ein Volontariat in einer Public Affairs Agentur für politische Öffentlichkeitsarbeit. Der Begriff „Public Affairs“ beschreibt das strategische Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft.


Berufserfahrung sammelte Kai Neumann zunächst damit, Unternehmen zu beraten. „Öffentlichkeitsarbeit als solche ist etwas anders gelagert als Lobbyarbeit“, erläutert er. „Öffentlichkeitsarbeit hat allgemeineren Charakter, ist in gewisser Weise ‚ins Blaue hinein‘ gerichtet, auch wenn man die Zielgruppe kennt.“ Lobbyarbeit hingegen zeichne sich durch den direkten Kontakt mit politischen Entscheidern aus. „Auf diese Weise ermöglicht Lobbyarbeit, bestimmte Geschehen konkret zu beeinflussen und zu erreichen, dass die Interessen derer, die man als Public Affairs Spezialist vertritt, berücksichtigt werden.“
Genau das ist das Kernelement dessen, was beim bdo Kai Neumanns Tätigkeitsfeld ist. Seit 2016 ist Neumann für den bdo tätig. Anfangs leitete er als Koordinator die IG Fernbus. „Ich hatte mich beruflich verändern wollen und eine Stellenausschreibung des bdo gefunden“, erinnert er sich. „Alles hatte gepasst.“ Die Vielfalt der Themen, die Menschen, die Busunternehmer: Kai Neumanns Alltag beim bdo könnte heute kaum abwechslungsreicher sein. „Von den CO2-Flottengrenzwerten über die europäische Maut-Richtlinie und das deutsche PBefG bis hin zu Antriebswende und Deutschlandticket – es vergeht selten ein Monat, der dem vorhergehenden gleicht“, sagt Neumann. Die Gesamtheit all dessen, was seine Arbeit beim bdo ausmacht, habe ihn letztlich zu einem „Überzeugungstäter“ werden lassen. „Beim bdo stehe ich auf der Seite der Guten, der Unternehmer, der Mittelständler und setze mich für die Verkehrswende mit klimafreundlicher Mobilität ein.“ Es sei leicht, sich für die zu engagieren, die das Rückgrat der Gesellschaft bilden und wuppen, was sich andere nur ausdenken können.


Was Kai Neumann in seiner Position als stellvertretender Hauptgeschäftsführer erreichen will? Dass die einen Dinge für die Busunternehmen nicht schlimmer werden und die anderen besser. Ein Thema, das ihm aktuell auf den Nägeln brennt, heißt „Bürokratie-Monster“ und haust in der Kategorie „nicht (noch) schlimmer werden“. Ein anderes ist mit dem Deutschlandticket in aller Munde – immer noch. „Es gibt bezüglich des Deutschlandtickets nichts, worauf sich die Unternehmer derzeit verlassen könnten“, sagt Kai Neumann. „Beim bdo plädieren wir für eine verbindliche Regelung. Wenn es der Wille der Politik ist, diese Tarifvorgabe zu machen, müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass den Unternehmen entstehende Nachteile verlässlich und rechtssicher ausgeglichen werden.“ In Sachen Deutschlandticket steht der Umgang mit Einnahmeverlusten zur Debatte. „Bislang hat nur ein einziges Bundesland das Ticket als verbindlich eingeführt, in allen anderen Bundesländern läuft das Projekt sozusagen auf freiwilliger Basis“, kritisiert Neumann. Das Problem dabei: Nur aus einer verbindlichen Vorgabe ergibt sich für die Unternehmer ein Recht, Ausgleich für Mindereinnahmen verlangen zu können. Wenn das Ticket mehr oder weniger freiwillig umgesetzt wird, bleiben Unternehmen, die wegen des Deutschlandtickets Verluste einfahren, auf ihren Verlusten sitzen. „Deshalb setzen wir uns beim bdo für eine Art ‚Anwendungsbefehl‘ ein, wie er in Thüringen bereits existiert – jedes Bundesland muss einen solchen ‚Befehl‘ aber für sich erlassen, weil der ÖPNV Ländersache ist.“ Und damit gestaltet sich eine bundesweit geltende Regelung  automatisch schwieriger. „Die Herausforderung für uns als bdo liegt darin, die Einflussnahme der Politik auf die Unternehmen nicht ausufern zu lassen“, betont Kai Neumann. „Es ist nachvollziehbar, dass die Politik bestimmte Vorgaben macht – etwa einen Tarif vorschreibt oder auch festlegt, was zu tun ist, um eine Dekarbonisierung zu erreichen.“ Für Kai Neumann ist hier die Strategieoffenheit des bdo essenziell, um nicht bloß Kompromisse zu schließen, sondern auf Konsens-Lösungen hinzuarbeiten, von denen alle Seiten profitieren. „Lobbyarbeit besteht daher auch darin, die Forderungen der Politik hier und da einzubremsen, damit die Unternehmen überhaupt mithalten können und nicht zu schnell mit zu viel belastet und letztlich überfordert werden.“


Das gelte auch und besonders für die viel beschworene Antriebswende, als deren Vorreiter Kai Neumann die Busunternehmen sieht. „Wir beim bdo verstehen aber auch, dass es sehr viel sinnvoller ist, kurzfristig mehr Autofahrer in Dieselbusse zu bekommen als Dieselbusse durch Elektrobusse auszutauschen.“ Die Dieselbusse sind schlicht und ergreifend schon da, preisgünstiger und umweltfreundlicher als ihr Ruf. Auch aus Kai Neumanns Sicht spielen Diesel und eFuels eine wichtige Rolle im Zuge der Dekarbonisierung. Im Eifer des Gefechts scheint die Politik den Blick dafür aber bisweilen zu verlieren.
Ein Grund mehr, im jährlichen Messe-Marathon und der Fülle an Events rund um Busse die Bus2Bus auf der Agenda zu behalten. „Kein anderer Branchentreff, kann mit der einzigartigen Mischung der Bus2Bus aufwarten“, sagt er. „Keine andere Veranstaltung legt zudem einen so großen Fokus auf den Austausch mit politischen Entscheidern, an dem die Bus2Bus-Besucher sich auch noch hautnah beteiligen können.“ Genau das mache letztlich auch jene Art von Lobbyarbeit aus, die Kai Neumann als stellvertretender Hauptgeschäftsführer des bdo verwirklichen will: die, bei der es nicht darum geht, auf Kosten anderer Vorteile einzuheimsen.

 

Judith Böhnke