Wäre die Corona-Pandemie nicht gewesen, hätte sie das Zepter bereits übernommen. Das Unternehmen in der Krise zu übergeben kam für ihre Eltern aber nicht infrage.

Bestens vorbereitet auf die herausfordernde Aufgabe ist Nicole Schmidt allemal. Schließlich gestaltet die 38-Jährige die Zukunft des elterlichen Unternehmens bereits seit über 15 Jahren mit. Sie ist eine Powerfrau mit Herz, Verstand und Weitblick. Überzeugungskraft und Durchhaltevermögen wurden ihr mit in die Wiege gelegt. Sie ist Optimistin durch und durch – ein Charakterzug, den sie vor allem Busunternehmern zuschreibt. „Was wir alle in einer taffen Branche wie der Busbranche können, ist optimistisch bleiben“, sagt sie mit Blick auf die aktuelle Corona-Krise.

Nicole Schmidt hat Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Tourismus studiert und ihr Diplom gerade einmal mit 22 Jahren gemacht. Danach wollte sie kurz pausieren, um sich dann ins Master-Studium zu stürzen und anschließend promovieren. Es kam aber anders. Eine Schwangerschaftsvertretung im Busbetrieb sprang damals kurzfristig ab und ihre Eltern standen vor der Frage, was nun? Die frisch gebackene Hochschulabsolventin bot ihre Hilfe an und sprang vorübergehend – so zumindest der Plan – ein. „Daraus sind jetzt 15 Jahre geworden“, muss sie herzlich lachen. Sie kennt sich in allen Bereichen im Unternehmen aus: von der Lohnbuchhaltung bis zur Katalogerstellung, Internetauftritt, Disposition, Angebotserstellung usw. Sie ist ein Tausendsassa, der viele Bälle gleichzeitig jongliert, ohne jedoch den Blick für das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Wenn es sein muss, sitzt sie auch mal selbst am Steuer und lenkt den Bus.

Schwer gefallen ist ihr die Entscheidung, im Familienunternehmen zu bleiben, keineswegs. Sie konnte sich hier frei entfalten. „Mein Vater hat sich unsere Ideen immer angehört, wenn sie gut waren, hat er diese dann auch umgesetzt. Das war schon immer ein gegenseitiges Geben und Nehmen“, lobt sie ihren Vater. Sie hat in den letzten Jahren immer mehr Verantwortung im Unternehmen übernommen. „Der Papa lässt mir immer freie Hand, egal was es ist“, beschreibt die Fränkin ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Ihre Eltern sind mit Leib und Seele Busunternehmer. „Ich habe von klein auf mitbekommen, wie hart sie rund um die Uhr für ihren Traum gearbeitet haben. Obwohl sie in jungen Jahren schwere Schicksalsschläge hinnehmen mussten, haben sie nie aufgegeben“, erzählt die junge Frau. Das habe sie schon immer angespornt, ihren Eltern etwas zurückzugeben. Was ihre berufliche Laufbahn angeht, so stand es den Geschwistern frei, welchen Weg sie einschlagen. Sie haben sich trotzdem für ein Studium mit Schwerpunkt Tourismus entschieden. René Schmidt hat Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Tourismus studiert. Es habe sich schnell herauskristallisiert, dass ihr Bruder die Unternehmensnachfolge niemals ohne sie und sie umgekehrt auch nicht ohne ihn antreten würde. „Denn jeder von uns hat seine Stärken, wir ergänzen uns sehr gut“, sagt sie.

Aufgeben ist keine Option

Ihren Optimismus lässt sie sich von der Corona-Krise nicht nehmen. Auch wenn die aktuelle Situation momentan perspektivlos erscheine, „wenn ich etwas von meinen Eltern gelernt habe, dann, dass Aufgeben keine Option ist“, zeigt sie sich kämpferisch und ist überzeugt: „Deshalb wird es auch für mich und für die Firma weitergehen.“ Das fränkische Busunternehmen blickt auf über 90 Jahre Unternehmensgeschichte zurück. „Wir haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet und davon zehren wir jetzt“, erklärt Nicole Schmidt. Die Thürauf GmbH ist breit aufgestellt, ein klassischer Mischbetrieb. Daran soll sich auch nach Corona nichts ändern. „Wir sind in der Krise, wie andere Busunternehmen auch, mehr oder weniger Einzelkämpfer. Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen“, beklagt sie. Ihr macht es zu schaffen, dass die Bustouristik nicht einmal mehr erwähnt wird, wenn es um Öffnungsstrategien geht. Und wenn das Impfen nicht bald zügig Fahrt aufnimmt, befürchtet sie, dass es Tourismus in der Form, wie wir ihn kennen, nicht mehr geben wird.

Zu Thürauf gehören auch drei Reisebüros, die von ihrer Mutter Anette Schmidt geleitet werden. Bislang habe das Unternehmen keinerlei Hilfen für diese Reisebüros bekommen, da sie mit dem Busbetrieb zusammen zu verbundenen Unternehmen zählen.

Tropfen auf den heißen Stein

„Somit waren die Soforthilfen, die Überbrückungshilfe I und II für den Unternehmensverbund ein Tropfen auf den heißen Stein“, bedauert die junge Unternehmerin. Bei den November- und Dezemberhilfen sei das Familienunternehmen aufgrund seines Linienverkehrs komplett durchgefallen. Entsprechend ruht die Hoffnung der Schmidts auf der Überbrückungshilfe III. „Wir haben in dieser Krise gelernt, dass wir komplett auf uns alleine gestellt sind, kaum Unterstützung von außen kommt, dass wir Ruhe bewahren und geduldig sein müssen, um dann auch kurzfristig agieren zu können“, resümiert Nicole Schmidt ihre Erfahrungen.

Hat die Krise ihrer Meinung nach die Schwächen von Unternehmen offengelegt? Darauf antwortet sie mit einem klaren Ja. Ihrer Ansicht nach sollte „der eine oder andere Busunternehmer dringend seine Preispolitik überdenken. Denn nur wer gut gewirtschaftet hat, hat in der Krise die Chance, zu überstehen. Und bei Unternehmen, die durch Dumpingpreise anderen die ganze Zeit das Leben schwer gemacht haben, wage ich persönlich zu bezweifeln, dass aktuell noch viel finanzieller Puffer vorhanden ist.“ Sie bemängelt außerdem, dass Busunternehmen bislang die Digitalisierung in Bezug auf Kundenakquise verschlafen haben. „Im Vergleich zu anderen Branchen hinken wir hier noch ganz schön hinterher“, räumt sie ein. Im vergangenen Sommer habe sich besonders deutlich abgezeichnet, dass Unternehmen mit einer modernen Website, auf der man die Reisen auch direkt buchen kann, einem erfolgreichen E-Mail-Marketing und einer starken Präsenz in den sozialen Medien, durchaus die Gewinner gewesen seien. In kürzester Zeit hätten diese ihre Kunden über Neuigkeiten und Neuerungen informieren und so auch Buchungen generieren können.

Das Potenzial der Bustouristik nutzen

Die Digitalisierung in Bezug gerade auf Kundenakquise spielt für Nicole Schmidt eine große Rolle. „Wir brauchen einen frischen Schwung in der Branche“, stellt sie fest. In der Corona-Krise sieht sie aber auch große Chancen für die Branche. „Flugreisen werden eventuell teurer werden, aber vor allem sind die Auflagen in den einzelnen Ländern unterschiedlich und die Ein- und Ausreisebestimmungen sehr aufwändig. Die Preise für eine Busreise hingegen sind für nahezu jeden erschwinglich und während des ersten Lockdowns hat sich bespielhaft gezeigt, dass die Busbranche alle Reisegäste auf eigene Kosten sicher nach Hause bringen konnte. „Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir stärker ausspielen müssen, ist der Umweltfaktor. Gerade bei den jungen Leuten sind Umweltthemen hoch im Kurs. Der Bus ist nun mal das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Und das müssen wir so richtig ausschlachten“, unterstreicht Nicole Schmidt die USPs der Branche.

Man müsse das Potenzial der Bustouristik nutzen und junges Publikum endgültig für den Bus gewinnen. Dazu müssten auch die Reiseprogramme angepasst werden, so dass für jeden etwas dabei ist. „Der Mix macht’s“, betont sie. „Wir bieten zum Beispiel bei unseren Aktivreisen gezielt auch was für junge Menschen. Letztes Jahr hat es sich zudem gezeigt, nicht nur Senioren machen gerne Radtouren und gehen gerne Wandern, sondern auch junge Leute“, so Schmidt weiter. „Wenn wir es richtig und clever anstellen, könnte die Bustouristik nach der Krise profitieren und als möglicher Gewinner der Tourismusbranche hervorgehen“, ist Nicole Schmidt zuversichtlich. Ein weiterer Vorteil, den die Bustouristik biete, sei der Geselligkeitsfaktor, den die Menschen besonders in der Krise zu schätzen gelernt hätten und der für die Branche ein Pluspunkt bedeuten könne. „Man hat die Familie wieder für sich entdeckt und das Miteinander zwischen Jung und Alt hat an Bedeutung gewonnen. Das könnten wir Bustouristiker auch auf unsere Produkte übertragen“, regt sie an.

Untätig waren die Schmidts in den vergangenen Monaten nicht. Unter anderem hat die zukünftige Firmenchefin eine Systemumstellung durchgeführt. Aktuell tüftelt sie am Website-Relaunch und beschäftigt sich mit der Einführung einer App. „Digital lassen sich potenzielle Kunden schneller erreichen, das hat diese Krise gezeigt. Wie einfach es ist, Menschen zu begeistern, zeigen Blogger, Youtuber & Co. In diesem Zusammenhang ist in der Branche noch sehr viel Luft nach oben“, lässt sie ihre Zukunftspläne ein wenig durchblicken. Askin Bulut