Im Jahr 2009 initiierten Christian Janisch, Ingo Mayr-Knoch und Alexander Kuhr, drei Studenten der Betriebswirtschaft, das Internetprotal www.deinbus. de. Die Idee dahinter: Wenn genügend Interessenten für eine Busfahrt zusammenkommen, wird ein Bus angemietet und gefahren. Schnell konzentrierte sich das Angebot auf die Strecke Frankfurt am Main/Köln. Ein Studentenpendel mit unschlagbaren Preisen. Der Bahn war das ein Dorn im Auge. Sie wurde durch ein Gesetz aus dem Jahre 1934 geschützt, das ihr die Konkurrenz durch Fernlinienbusse vom Hals hielt. Die Wurzeln dieses Gesetzes reichen bis zum Ausgang des Ersten Weltkriegs. Die Bahn sollte damals einen Teil der von Deutschland zu tragenden Reparationskosten ungestört einfahren können.
Die Bahn klagte im Jahr 2010 gegen die drei Studenten. Goliath gegen David. Das Medieninteresse war groß. Die Bahn wollte nachweisen, dass die drei Herren einen Linienverkehr betreiben würden. Dafür seien auch Haltestellen und Fahrpläne nötig. Die Beklagten bezogen die Position, ihre Verkehre seien Gelegenheitsverkehr, also Reiseverkehr, und damit erlaubt. Eine Genehmigung für ihre Fahrten hatten sie vom Landratsamt in Friedrichshafen im Juli 2009 erhalten.
Letztlich folgten die Richter der Argumentation der Studenten und sagten: genehmigt ist genehmigt, basta. Zumal auch deutlich wurde, dass die Liberalisierung des Fernlinienverkehrs in Deutschland nicht mehr aufzuhalten war. So kam es dann auch. Anfang 2013 wurde der Fernbusverkehr liberalisiert. Neben dem Pionier und Bahnbrecher Deinbus kamen nach und nach auch andere Anbieter in Startlöchern: Meinfernbus, Flixbus, ADAC Postbus.
Ein unglaublicher Preiskampf, eine Kampf um Strecken und Kunden setzte ein. Freie Marktwirtschaft pur. Ende 2014 musste Deinbus diesem Preiskampf Tribut zollen und Insolvenz anmelden. Tillmann Raith, 33-jähriger Unternehmer aus Süddeutschland und Stammfahrgast von DeinBus.de, hörte in den Medien von der Insolvenz des Fernbus-Pioniers. Das weckte sein Interesse. Er meldete sich über seinen Anwalt beim Insolvenzverwalter Christian Feketija. Laut Medienberichten soll er mit einer „niedrigen siebenstelligen Summe“ eingestiegen sein. Raith ist nicht nur neuer Eigentümer, sondern auch Geschäftsführer. Letzteres gemeinsam mit den bisherigen Eigentümern und den als Geschäftsführer verbleibenden Unternehmensgründern Alexander Kuhr und Christian Janisch. Deinbusse verkehren aktuell zwischen 40 deutschen Städten. In der Firmenzentrale in Offenbach arbeiten 25 Mitarbeiter.
Umtriebig im Telefon-, Gas- und Musikmarkt
Der Selfmade-Man, wie Tillmann Raith in den Medien gelegentlich genannt wird, aus Erlenbach bei Heilbronn habe schon viele Unternehmen aufgebaut und erfolgreich gemacht, heißt es in der Pressemitteilung von Deinbus. Bereits in der Schule habe er Handyverträge über das Internet vermittelt. Und weiter: „Sein Erfolgsrezept war, als erster Anbieter ein Handy zum Mobilfunkvertrag anzubieten – völlig gratis. Palettenweise wurden Nokia- Telefone in die heimische Garage geliefert, die ganze Familie half bei der Abwicklung der Bestellungen und Schulfreunde packten nachmittags Pakete. Im neu liberalisierten Telefoniemarkt eröffneten sich weitere Chancen. Raith bot 2002 mit seinem DSL-Anbieter Callando den ersten DSL-Tarif ohne Volumenbegrenzung an: Die DSL-Flatrate war geboren und wurde hunderttausendfach genutzt. Es folgte eine Beteiligung an einem Musik-Portal, das bereits 2008 legale MP3-Flatrates aller großen Labels anbot, lange bevor Spotify und Simfy den Markt eroberten. Das Geschäftsmodell war allerdings seiner Zeit voraus und Nutzer noch nicht bereit, für Musik zu zahlen. Die Firma musste Insolvenz anmelden.“
Deutlich erfolgreicher, so heißt es in der Pressemitteilung weiter, sei er im liberalisierten Strom- und Gasmarkt gewesen. Seinen ersten Energie-Anbieter habe Raith nach mehreren Jahren des Aufbaus erfolgreich an den russischen Energiekonzern Gazprom verkauft – um gleich darauf einen neuen Energieanbieter zu gründen. Sein jetziges Unternehmen Envitra vermittele Gas und Strom an Gewerbe- und Privatkunden.
Verdoppelung der Preise ist möglich
Jetzt also Fernbusse. Um künftig noch mehr Fahrgäste für den Einstieg in die blau-gelben Busse zu begeistern, plant Deinbus in 2015 weiteres Wachstum, vor allem im bereits bestehenden Netz in Südwestdeutschland. Auch Kooperationen und grenzüberschreitende Codesharing-Verkehre mit internationalen Fernbusunternehmern sind geplant. Wie er gegenüber der „Wirtschaftswoche“ verlauten ließ, werde sich Deinbus nicht mehr am Preiskampf beteiligen, der schließlich in die Insolvenz geführt habe. Raith sprach von einer Verdoppelung der Preise. Der Kilometerpreis, den ein Fahrgast zahle, müsse bei zehn Cent liegen. Erst dann könne ein Fernbusunternehmen profitabel arbeiten.