Und doch gibt es jemanden, der plant, den rund 5.000 Einwohner zählenden Ort zu einer Zentrale für Gruppentouristik in Niedersachsen zu entwickeln – und wer sich anschaut, was Tom Weppler diesbezüglich in der Pipeline hat, sieht den Erfolg geradezu vorprogrammiert.
Weppler – eigentlich ‚Thomas‘ mit Vornamen, was aber keiner sagt – ist in der Busbranche ein bislang unbeschriebenes Blatt, zumindest, wenn man davon absieht, dass er tatsächlich gelernter Hotelfachmann ist. Mit seinem Vorhaben Steinhude betreffend kehrt er gewissermaßen zu Wurzeln zurück, die ihn ganz ursprünglich in eine völlig andere Richtung hatten wachsen lassen: Weppler lockte das Fernsehen, und dank seiner Nase für gute Geschichten, einem Sinn für das Außergewöhnliche und seinem Talent und Drive, einzigartige Events zu kreieren, wurde er zu genau dem Mann, der 25 Jahre lang als Produktionsleiter die steile Karriere von Stefan Raab maßgeblich mitbestimmte.
In gleicher Position realisierte Weppler zweimal den Eurovision Song Contest, einmal im Jahr 2011, nachdem Lena Meyer-Landrut mit ihrem Sieger-Titel „Satellite“ das Großereignis nach Deutschland geholt hatte und einmal im Folgejahr in Aserbaidschan. „Sechs Monate verbachte ich mit 600 Mitarbeitern vor Ort in Baku“, erinnert sich der gebürtige Rheinländer. „Ich kann da Geschichten erzählen … .“ Und die stehen keineswegs allein, sondern pflastern Wepplers Weg rund um den Globus. Kein Wunder, dass der NDR immer wieder fragt, ob Weppler für einen Podcast zur Verfügung steht. Steinhude hat es ihm dennoch mehr angetan.
Inspiriert von südlicher Mentalität
„Die Idee reifte, als ich nach meinem Ausstieg aus der TV-Branche vor sechs Jahren mit meiner Frau ein Jahr lang durch Europa reiste“, erzählt der 51-Jährige. „Wir haben die Autobahnen von unserer Landkarte getilgt und sind mit dem Wohnmobil 20.000 Kilometer über die Landstraßen getourt. Inspiriert haben mich dabei vor allem die Südeuropäer. Die Gastronomie dort lebt in hohem Maße von ihrer Mentalität.“ In der Folge dachten die beiden Wepplers zunächst über den Betrieb eines Wohnmobilstellplatzes nach. Doch dann meldete sich Tom Wepplers alter Freund Dennis Karle, dessen Frau beim Fernsehen als Assistentin für Tom Weppler gearbeitet hatte. Karles Eltern gehörte ein kleines Hotel mit sechs Zimmern in Steinhude, außerdem bewirtschafteten sie auf der Insel Wilhelmstein, die zu den Anwesen des Hauses Schaumburg-Lippe gehört, die zu Unterkünften ausgebauten, 270 Jahre alten Offiziershäuser.
Tapetenwechsel im Lockdown
„In der Coronazeit wurde die Bewirtschaftung der Insel neu ausgeschrieben, wir bewarben uns mit einem 80-seitigen Konzept und erhielten den Zuschlag“, sagt Weppler. „Während des zweiten Lockdowns haben wir mit den Ausstattern und Requisiteuren vom Fernsehen alles renoviert und ein Jahr später mit einem weiteren Haus – der jetzigen ‚Hafenmeisterei‘ – weitergemacht. Im Mai dieses Jahres kam das Hotel Marin in Steinhude mit 22 Zimmern hinzu, sodass wir zum jetzigen Zeitpunkt in verschiedenen Häusern über insgesamt 60 Betten verfügen, ergänzt um eine Kooperation mit dem Hotel Steinhuder Hof, das seinerseits auch über 17 Doppelzimmer, ein Einzelzimmer und drei Appartements verfügt.“ Da alle diese Häuser keine 150 Meter voneinander entfernt liegen, teilen sie sich das Restaurant im Hotel Marin – und können so völlig unkompliziert als zusammengehöriges „Haus“ betrachtet werden. „Zwei Busse oder einen vollbesetzten Doppeldecker können wir dadurch
direkt am Steinhuder Meer unterbringen“, so Weppler. „Das ist ein Novum am Ort. Bislang taugte das Steinhuder Meer für Gruppenreisende nur als Ziel für Tagesausflüge.“ „Das Steinhuder Meer ist der höchstdekorierte Naturpark der EU. In dieser Atmosphäre sollte man verweilen können, wenn man die Gegend erkundet. Hinzu kommen unzählige weitere, besichtigungsfähige Reiseziele in der Umgebung, die wir als Partner gewonnen haben und zu Reiseprogrammen komponieren werden.“ Darunter beispielsweise Deutschlands älteste Aalräucherei, die älteste Steinmetzfabrik, eine nachhaltige Garnelenzuchtanlage, das nahegelegene Schloss Bückeburg, tolle Weihnachtsmärkte, das Kloster Lochum und die Herrenhäuser Gärten sowie die Landesgartenschau 2026 Bad Nenndorf. Sogar die Naturpark GmbH Steinhuder Meer ist mit an Bord. „Sie unterhält eine Seeadler-Aufzuchtstation, die man zwar nicht mit dem Bus erreicht, die aber für Rad- und andere Aktivreisen attraktiv ist. Um das Steinhuder Meer führt zudem ein 32 Kilometer langer Rundweg, der Weserradweg ist nicht weit, Bad Nenndorf liegt um die Ecke, die Heimat von Wilhelm Busch … .“
Eigene Event-Abteilung fürs Reise-Design
Weppler will „all-in“ gehen, wenn er Reiseprogramme für Gruppen anbietet. Ausarbeiten wird die Arrangements eine eigene Event-Abteilung innerhalb der Ferienservice Steinhuder Meer GmbH, die Weppler zusammen mit Dennis Karle gegründet hat. Weppler ist erster Geschäftsführer und für das operative Geschäft zuständig. Karle, der ursprünglich Nachhaltigen Tourismus studierte und als Digital Consultant für Großkonzerne tätig ist, verantwortet als zweiter Geschäftsführer den Bereich eCommerce. Beteiligt ist außerdem die Glücksburg Consulting AG als Investor und strategischer Partner.
„Touristisch gesehen wird das Steinhuder Meer und seine Umgebung gelegentlich unterschätzt“, sagt Weppler. „Das wollen wir ändern, ohne die Natur- und die Kulturschätze zu beeinträchtigen.“ Die ersten Busunternehmer haben vom Projekt auch schon Wind bekommen, warten auf den Startschuss und bereiten sich ganz im
Sinne von Seneca schon einmal darauf vor, eine Gelegenheit beim Schopfe zu packen.Judith Böhnke