Anfang April fand in zwei Hallen der Messe Friedrichshafen zum ersten Mal der neue RDA-Prolog-Workshop statt. Im Foyer der beiden Hallen ging das Trendforum über die Bühne. Fast unscheinbar am Rande des Zuschauersaals stand eine Holzskulptur vom Imster Künstler Ludwig Schnegg: Sie zeigte einen älteren Herrn mit Anzug, offenem Hemd. Der Platz neben ihm war frei. Er lud Vorbeilaufende ein, sich zu ihm zu setzen. Einem Schild war zu entnehmen, dass der Mann aus Holz Hermann Gmeiner darstellte. Die meisten Besucher konnten wohl mit diesem Namen wenig anfangen.
Nach Friedrichshafen mitgebracht hatte diese Skulptur Hannes Staggl, Inhaber des „Hotel Hirschen“ in Imst in Tirol und Mitglied des Vorstands des Busverbandes RDA. Die Liaison zwischen der Holzskulptur „Hermann Gmeiner“ und dem Hotelier Hannes Staggl erschließt sich zwar nicht auf den ersten Blick, wohl aber auf den zweiten.
Hermann Gmeiner gründete die SOS Kinderdörfer
Wer war Hermann Gmeiner? Hermann Gmeiner wurde im Jahr 1919 in Alberschwende (Vorarlberg) als sechstes von neun Kindern einer Bergbauernfamilie geboren. Als er sechs Jahre alt war, starb seine Mutter. Die älteste seiner Schwestern übernahm nun die mütterlichen Pflichten im Haus. Kurz vor seinem Abitur wurde Hermann Gmeiner zur Wehrmacht eingezogen. Der Krieg führte ihn durch Nord-Finnland, Russland und Ungarn. Mehrere Male verwundet, kehrte er 1945 in seine Heimat zurück. Dort verbrachte er die ersten Monate im Lazarett und half nach seiner Genesung dem Vater auf dem Bauernhof. Als sein Bruder aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, übernahm dieser die Stelle. Hermann Gmeiner begann Medizin in Innsbruck zu studieren. Daneben engagierte er sich in der Kirche als Jugendbetreuer. Während dieser Zeit erlebte er die Not und Verlassenheit vieler Kriegswaisen und die Missstände in den überfüllten, kasernenartigen Heimen der Nachkriegszeit. Er spürte, dass Heime oder Anstalten keine Lösung für die aus dem Nest gefallenen Kinder waren und fühlte sich an seine eigene Kindheit erinnert: Es war die Mutter, die ihm fehlte und die von seiner Schwester Elsa ersetzt wurde. So entstand die Idee, ein Haus zu bauen, in dem eine Mutter den Kindern ein richtiges Daheim schenken konnte. Viele solche Häuser sollten es sein, ein richtiges Dorf. Eine Idee war geboren! Ein Grundstück dafür wurde in Imst gefunden und so wurde im Jahr 1949 das erste Haus eingeweiht. Es erhielt den Namen „Haus Frieden“.
Das Signal für in Not geratene Seeleute „Save our Souls” (SOS) etablierte sich als Synonym für die Kinderdörfer. „Wir müssen die Menschen zum Gutsein aufrütteln“, so das Credo von Hermann Gmeiner. Viele Aktionen folgten, um das Augenmerk der Welt auf in Not geratene Kinder zu lenken. Sie brachten ihm den Ruf eines Marketing-Genies ein. Am 26. April 1986 erlag Hermann Gmeiner, der aus Zeitmangel selbst nie verheiratet war und keine Kinder hatte, einem Krebsleiden. Seine Idee jedoch ging um die ganze Welt: Heute gibt es in 136 Ländern der Erde 430 SOS Kinderdörfer.
In Imst in Tirol wird das Andenken an Hermann Gmeiner wach gehalten. So gibt es im Zentrum der Stadt eine Bronze-Plastik von Hermann Gmeiner.
„Ubuntu“ heißt die aktuelle Kulturinitiative von SOS Kinderdorf. Sie lädt Künstler ein, sich mit dem Thema Kindheit zu beschäftigen. „Ubuntu“ ist der afrikanischen Zulu-Sprache entlehnt und bedeutet so viel wie „achtsames Miteinander“. Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Benefiz-Abende werden veranstaltet und Persönlichkeiten, die viel für junge Menschen bewirkt haben, werden zu Ubuntu-Botschaftern gekürt.
Das jüngste Projekt in Imst ist der „SOS Kinderdorf Themenweg“. Hier lernen die Besucher Imst und die Heimat des SOS Kinderdorf Gründers Hermann Gmeiner kennen. Am Themenweg wird die Entwicklung des SOS Kinderdorfes von der Vergangenheit bis in die Gegenwart erzählt. Über 20 Stationen sind mit der Unterstützung der Stadtgemeinde, des Tourismusverbandes, mit Kindergärten, Schulen, Vereinen, Firmen und Einzelpersonen entstanden. Ende letzten Jahres wurde der Themenweg fertiggestellt. Imst hat damit eine neue touristische Attraktion.
Themenweg für Busgruppen kostenlos
Hotelier Hannes Staggl ist Obmann des Imster Tourismusverbandes und engagiert sich für den Themenweg. Um Ubuntu international bekannt zu machen, geht er mit der Holzskulptur (siehe Foto) von Hermann Gmeiner auf Tournee. An verschiedenen Orten in verschiedenen Ländern soll die Skulptur aufgestellt werden und die Neugierde wecken: Wer ist dieser Mann? „Mediale Berichterstattung ist das Ziel. Ein wenig Marketing für die SOS Kinderdörfer, ein wenig Marketing für Imst“, erklärt Hannes Staggl. Die Holzskulptur „Hermann Gmeiner“ war vor Kurzem in Rottweil, der Partnerstadt von Imst, zu Besuch. Vielleicht wird die Skulptur auch auf dem RDA-Workshop vom 5. bis 7. Juli in Köln zu sehen sein.
Übrigens: Die Führung auf dem SOS Kinderdorf Themenweg in Imst dauert gut eine Stunde. Für Gruppen ist sie kostenlos. Informationen unter: www.ubuntu-kulturinitiative.de