„Jeder, der einen Busschein hat ist heute Gold wert im Unternehmen,“ ist sich Max Schäpers (23) sehr bewusst. Auch das elterliche Unternehmen, der Verkehrsbetrieb Wilhelm Schäpers in Nordwalde bei Münster, hat der Fahrermangel erreicht, auch wenn es noch nicht ganz so schlimm sei wie anderswo – die Startseite des Unternehmens hat unter dem Motto: „Du möchtest Teil einer besseren Welt werden?“ immerhin gleich drei Werbeanzeigen geschaltet, inklusive des NWO-Spots der übereifrigen Busfahrer-/in. „Wenn er zwei oder drei Fahrer*innen gut hat in der Planung, macht der Disponent auch bei uns veritable Luftsprünge,“ fügt er in bestem Bus-Sprech hinzu. „Natürlich bekommt man seit Kindesbeinen in einem Busunternehmen alles hautnah mit. Ich habe schon meinem Opa immer fasziniert über die Schulter geschaut, das hinterlässt natürlich Spuren“. Max Schäpers hat also mit zarten 22 Jahren seinen Busschein gemacht, es hat ihn rund dreieinhalb Monate Zeit gekostet inklusive der beschleunigten Grundqualifikation bei der IHK. „Die Fahrstunden habe ich aber nach meiner abgeschlossenen Bankausbildung und vor dem VWL-Studium sehr angenehm zeitlich dazwischenschieben können, als ich im Unternehmen meiner Mutter gejobbt habe.“ Das Unternehmen wurde 1928 im Münsterland gegründet und hat heute rund 60 Stadt- und Reisebusse in der Flotte. Das Reiseunternehmen führt zusätzlich den historischen Namen „Kiepenkerl Reisen“, der sich auf den historischen Kiepenkerl Express der Westfälischen Landeseisenbahn bezieht, der Sommerfrischler von Münster ins Walldecker Upland beförderte und mangels Auslastung irgendwann durch Busse ersetzt wurde. Tradition zählt im Münsterland. Geführt wird es heute von Max Mutter Ute Schäpers-Scheiwe (studierte BWLerin) alleine. Sohn Max, die vierte Generation busfahrender Schäpers im Unternehmen, studiert derzeit Volkswirtschaft im dritten Semester (ebenfalls in Münster) und interessiert sich vor allem für die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge. „Schon in der Zeit meiner Ausbildung auf der Bank war mir klar, dass ich zu neugierig auf die große Wirtschaftswelt bin, um mein Leben in einer Schalterhalle zu verbringen, und ein duales Studium war damals noch nicht vorstellbar“, so der junge Mann, dem man die Zielstrebigkeit schon durch den Telefonhörer anhört. Seine Mutter beeinflusse ihn bei seiner Berufswahl in keiner Weise: „Hauptsache ich bin glücklich“, fügt er hinzu. Dass er den Führerschein gemacht hat, hat daher auch weniger mit einer angedachten Karriere im mütterlichen Unternehmen zu tun, als mit ganz konkreter Busaffinität. „Ich bin begeisterter Autofahrer, wie meine Schwester Anna auch. Ich bin auch davon überzeugt, wenn man diese Grundfaszination nicht hat, wird man kaum auf die Idee kommen, Busse zu fahren.“ Aber das hat nichts mit Egoismus zu tun: „Ich wollte einfach aus eigener Anschauung wissen, wie das ist, was unsere Mitarbeiter jeden Tag leisten. Dazu kommt ja eine enorme Verantwortung, die zu tragen ist ­– vor allem im Schülerverkehr.“


Max‘ erste Tour ging gleich mit dem „Gelenker“ los

Dem hat sich Max denn auch nach dem Führerscheinerwerb verschrieben – die erste Tour mit den lärmenden Kids gleich im „Gelenker“, wie er sagt. „Ich hatte vorher noch keinen Gelenkbus gefahren, das ging aber dann deutlich einfacher, als ich erwartet hatte.“ Dass er bis zum vollendeten 24. Lebensjahr im November nur Linienverkehr innerhalb eines 50 Kilometer Radius um den Münsteraner Sprengel fahren darf, kann Max aber nicht ganz nachvollziehen, zumal sich hier auch schnell 300 und mehr Kilometer am Tag läppern können. Ebenso hat sich der Jungbusfahrer einen kritischen Blick auf den Hype um die Elektromobilität bewahrt: „Vor allem auf Überlandstrecken und bei privaten Unternehmen muss die Politik noch einiges tun, um die bestehenden Defizite zu beheben“, sagt er. Etwas Anderes ist ihm deutlich wichtiger: Wertschätzung für die Arbeit des Busfahrers. „Die ist bei uns in Deutschland oft sehr gering, ich kenne das zum Beispiel aus der Schweiz ganz anders – da grüßt jeder Fahrgast den Fahrer oder die Fahrerin ganz freundlich mit einem Lächeln oder einem kleinen Satz.“ In Deutschland müsse man dagegen schon beinahe Angst haben, Nachtschichten zu fahren.

„Die Wertschätzung für die Fahrer muss deutlich steigen“

Seine Zwillingsschwester Anna Schäpers fährt ebenfalls bereits in vierter Generation sowohl bei ihrer Mutter im Münsterland als auch im väterlichen Vorzeige-Betrieb „Z-Mobility“ im bayerischen Bobingen bei Augsburg. Dort hat sie sogar eine Festanstellung als Fahrerin im Liniendienst unterschrieben – sie findet zwischen zwei Schichten etwas Zeit, um mit uns zu sprechen. Dass sie eigentlich aus der „Luxus-Hotellerie“ kommt, wie sie sagt, sieht sie dabei nicht als Widerspruch an. Sie hatte in Österreich eine Ausbildung zur Hotel- und Gaststättenassistentin absolviert und war im Anschluss in Bad Wörishofen in einem Fünf-Sterne-Haus Rezeptionistin – wenn auch die Corona-Pandemie für eine Arbeitspause in dem Metier sorgte, wie bei so vielen Kolleginnen und Kollegen. „Ich finde einfach die Arbeitszeiten als Busfahrerin viel angenehmer und die Arbeit viel entspannter“, sagt sie ganz unvoreingenommen. „Wenn die Schicht um elf Uhr vorbei ist, dann ist sie eben vorbei. Im Hotel kann die Spätschicht mit feiernden Gästen schon mal bis halb drei nachts gehen.“ Familie hat die junge Frau zwar noch nicht am Start, aber der Labrador benötige ebenso viel Zuwendung wie die Pferde, um die sie sich sehr gerne kümmert. Mittlerweile habe Sie auch viele Freunde und Bekannte angesteckt mit dem „Busvirus“ – so auch ihren eigenen Freund. Der habe eigentlich nur den Lkw-Schein machen wollen, jetzt werde er den Busschein gleich dranhängen – er startet im August. „Heute denkt zwar jeder, er müsse studieren, aber das ändert sich auch wieder in Zukunft“, ist Anna überzeugt. Was nicht heißt, dass sie mit dem Thema Bildung abgeschlossen hätte: so ein wenig drückt sie auch noch die Schulbank – einfach um drin zu bleiben und sich weiterzubilden. „Der Job als Busfahrerin ist aber kein Notnagel oder sowas. Das ist jetzt für die kommende Zeit einfach der Beruf meiner Wahl.“ Und das Gehalt sei zudem auch besser als im Gastgewerbe – dies sieht sie als eines der besten Argumente für junge Menschen an, die vor der Entscheidung zur Berufswahl stehen.


Anna musste den Klasse D-Schein zusammen mit dem Lkw-Schein allerdings „on the fly“ neben dem Beruf machen, was mit einem Jahr naturgemäß länger dauerte als bei Bruder Max. Dass sie mit 24 dann lieber auf Reisebusse umsteigen würde, ist derzeit kein Thema. Der Liniendienst gefällt ihr sehr gut – das spürt man schon beim Gespräch deutlich.
Auch Vater Werner Ziegelmeier zeigt sich sehr erfreut, dass seine Zwillinge Max und Anna sich dazu entschieden haben, den Busschein zu machen, weitere Schlussfolgerungen zieht er aber nicht daraus. „Sie sollen einfach ihr Ding machen und es macht beiden viel Spaß, Bus zu fahren. Das ist doch toll!“ sagt der bekannte Busunternehmer, der sich auf VIP-Transfers spezialisiert hat. Ob die Zwillinge nicht auch mal über Unternehmensfragen miteinander sprechen? „Klar, das bleibt nicht aus. Ich könnte mir auch vorstellen, für die Uni mal ein Marketing-Projekt oder Ähnliches mit Unternehmensbezug zu machen,“ sagt Max rund-heraus. Seine Schwester Anna ist da schon einen Schritt weiter: Sie hat für Schäpers Reisen einen neuen Instagram Account gestartet der viele Busse zeigt und dem in kürzester Zeit schon viele User
folgen.