Osnabrück ist eine kleine Großstadt in Niedersachen mit 165.000 Einwohnern. Christian Wulff wurde hier geboren. Der VfL Osnabrück verweist in seiner Vereinsstatistik darauf – lang, lang ist´s her – einmal auswärts gegen Bayern München mit 5:4 gewonnen zu haben. Osnabrück ist älter als Berlin, Bischofssitz, hier kreuzen sich Handelsstraßen.
Das Schönste aber an Osnabrück ist die liebevoll restaurierte Altstadt. Am Rande der Altstadt darf es auch etwas moderner zugehen. In der Berghoffstraße 32 zieht ein recht futuristisch anmutender kleiner Glaspalast seit 2013 die Blicke der Passanten auf sich. Die weithin sichtbare Aufschrift verrät den Besitzer: „Klute-Reisen“.

Andere würden dieses Gebäude ohne mit der Wimper zu zucken „Terminal“ nennen. Nicht so Nicola Rahe, die charmante Geschäftsführerin des Busreiseveranstalters. Sie bezeichnet das Terminal schlicht als „unser neues Bürogebäude“. Hier finden jährlich Reisemessen oder „Tage der offenen Tür“ statt. Von hier fahren Fünfsterne-Travegos nach Neapel oder zum Nordkap. Die Reisenden steigen jetzt trockenen Fußes in die Busse.Das Possessivpronomen „unser“ in „unser neues Bürogebäude“ weist darauf hin, wer das alles geschaffen hat. Die Eltern Ingrid und Helmut Rahe, ihre Kinder Nicola und Oliver sowie Olivers Ehefrau Evelyne. Ein Familienunternehmen wie es im Buche steht, in der vierten Generation. Im Laufe der Zeit verschwand durch Eheschließungen zwar der Nachname des Firmengründers Wilhelm Klute aus der personellen Besetzung in der Chefetage, doch die Tradition lebt in der Unternehmensbezeichnung „Klute-Reisen“ weiter. 2018 ist 100-jähriges Firmenjubiläum. Was einst mit Pferdekutschen, Taxis und mit dem Kauf des ersten gebrauchten Omnibusses 1936 begann, ist heute ein Vorzeigeunternehmen. Klute Reisen hat exakt 17 Mitarbeiter: die fünfköpfige Familie an der Spitze, drei Damen im Büro, vier Servicemitarbeiter und fünf festangestellte Fahrer, die auch, wie Oliver Rahe betont, im Winter beschäftigt werden. Oliver Rahe ist genau wie seine Schwester Geschäftsführer von „Klute-Reisen“.


Auf den Straßen sind fünf hochmoderne Travego-Reisebusse von Mercedes-Benz unterwegs. Jeder Bus hat seinen Fahrer. Das bindet. „Wenn Sie unseren Katalog von 2011 nehmen und ihn mit dem aktuellen Katalog von 2016 vergleichen und sich die Bilder der Fahrer ansehen, dann werden Sie feststellen, es sind immer noch dieselben Fahrer“, sagt Oliver Rahe und skizziert die Firmenphilosophie so: „Wir stöhnen nicht. Wir haben keine Fahrerprobleme. Der Linienverkehr wurde aufgegeben. Wir wollen auch den Stress mit den Fernbussen nicht. Das Geschäft muss überschaubar bleiben. Nur wer weiß, was in seinem Laden läuft, hat Spaß und ist zufrieden.“ Man glaubt das den Rahes aufs Wort. Die Reisebuchungen 2016 liegen über denen des Vorjahres. Ja, auch Problemziele wie Paris gehören zum Programm, aber nur ein oder zwei Reisen. „Wenn die ausfallen, bieten wir Süddeutschland oder die Toskana an“, sagt Nicola Rahe. Genau wie ihr sechs Jahre älterer Bruder hat sie nach dem Abitur eine Lehre als Reiseverkehrskaufmann in den 90er Jahren absolviert, ist dann in den elterlichen Betrieb gegangen. Seit etwa fünf Jahren haben sich ihre beiden ehemaligen Erziehungsberechtigten, Mutter Ingrid und Vater Helmut, so peu à peu aus dem Tagesgeschäft verabschiedet: „Macht Ihr mal!“


Und Nicola und Oliver machen. Nicola vor allem, wenn es um die Reiseplanung und den Katalog geht. Oliver, wenn es um die Busse geht. Den Busführerschein haben beide. Nicola fährt inzwischen seltener, doch wenn es darauf ankommt, steht Sie ihren Mann: Frau kann das! Zum unausgesprochenen Ehrenkodex von „Klute-Reisen“ gehört auch, dass es am Beginn von Busreisen auf dem Weg zur Autobahn keine Einsammelfahrten gibt. Die Reise beginnt in „unserem neuen Bürogebäude“, sprich Terminal, dann wird noch einmal am Hauptbahnhof von Osnabrück gehalten und weiter geht’s direkt ins Zielgebiet. Zum Hannes Staggl zum Beispiel nach Imst in Tirol ins Hotel Hirschen, mit World Wide Travel auf Amerika-Rundreise per Flug oder in die Maritim Hotels. 2011 haben sie sogar von den Maritim Hotels einen Award erhalten. Und den bekommt nur, wer fleißig bucht.


Nicola und Oliver Rahe sind im elterlichen Busbetrieb herangewachsen. Urlaub, so wie in einer klassischen Familie, den habe es nur selten gegeben. Meist ging es auf die Nordseeinsel Juist. Oft musste Vater Helmut Rahe dann den Urlaub unterbrechen, um den Schwimmverein nach Südfrankreich zu chauffieren oder mit der Universität nach Tunesien zu fahren. Irgendwann, wenn die Ferienzeit fast zu Ende war, kam er dann wieder und blieb die restlichen Tage auf Juist. Das gehört dazu, sagt Nicola Rahe und ergänzt, dass man als Busunternehmer seinen Beruf mit Herzblut machen müsse: „Man muss ehrlich sein, nicht nur in der Familie, sondern auch den Kunden gegenüber, dann wird man belohnt.“ 12.000 Stammkunden hat „Klute-Reisen“.


Ein Blick in die Zukunft: Ob Olivers und Evelynes Rahes Kinder eines Tages auch ihren Weg bei „Klute-Reisen“ machen, steht noch in den berühmten Sternen. Doch da die Rahes wohl niemals einen der Ihren überreden würden, es ihnen gleich zu tun, stehen die Chancen nicht schlecht, dass es eines Tages genauso kommt. Vor einigen Jahren gab es einmal eine Umfrage des Magazins „Stern“, die herausfinden wollte, wo in Deutschland die zufriedensten Menschen leben. Osnabrück belegte Platz 1. 87 Prozent der 165.000 Einwohner gaben an, sich hier „wohl bis sehr wohl“ zu fühlen. Gut möglich, dass die Rahes bei diesen 87 Prozent dabei waren.