Seine Lieblinge hat er immer dabei. Auch auf der Messe Momentour in Pforzheim im März. Er streichelt sie, dreht ihnen den Kopf zur Kamera oder versucht, eine Bekanntschaft mit den vorüberziehenden Messebesuchern anzubahnen. Das ist gar nicht so einfach, denn seine Lieblinge sind die gefleckte Königspython, die schwarze Vogelspinne oder der sandgraue Leguan. Es sind nur drei von 1.100 Reptilien und Amphibien (Frösche, Kröten usw.) aus Asien, Afrika, Australien und Amerika, die ihr Zuhause im Reptilium in Landau in der Pfalz haben. Es ist der größte Reptilienzoo Deutschlands. Uwe Wünstel (34) ist der Direktor dieses Zoos. Er hat ihn vor zehn Jahren gegründet. Bis heute hat sich die Ausstellungsfläche mehr als verzehnfacht.

Es begann mit einer Raubwanzenzucht
„Alle Tiere, die kein Fell haben, interessieren mich“, sagt der Südpfälzer mit dem freundlichsten Lächeln der Welt und je länger man dem leidenschaftlichen Tierfreund zuhört, umso mehr scheint man zu glauben, dass diese glatten, mitunter auch glitschigen Kriechtiere überhaupt nicht hinterhältig sind, sondern nur spielen wollen. Doch nicht nur die Liebe zu den Tieren hat Uwe Wünstel in sein Projekt investiert, sondern auch 3,5 Millionen Euro Bankkredite und Mittel aus dem Familienbudget. Als das Reptilium damals eröffnet wurde, gehörte zu den ersten Besuchern auch eine Lehrerin, die Uwe Wünstel noch aus seiner Grundschulzeit kannte. Sie war begeistert wie alle Besucher und erinnerte sich noch genau, dass Uwe Wünstel sich als Schüler in einer Projektarbeit mit dem Thema „Raubwanzen“ beschäftige. Er hatte eine kleine Raubwanzenzucht zu Hause. Die Fans dieser Krabbler geben diesen Tierchen auch den Beinamen „Gartenfreunde“. Und in der Tat, schon als Kind fühlte er sich Uwe Wünstel zu den Krabbeltieren hingezogen. Und so sammelten sich im privaten Minizoo in einem kleinen Dorf in der Pfalz Leguane, Nattern, Pythons, Krokodile und Skorpione an.

Maurerberuf war nicht das Lebenswerk
Es sprach sich herum, dass da einer mit Reptilien umzugehen weiß. Und so mancher, dem seine Schlange über den Kopf wuchs oder dem die Freundin doch dann vor dem Pfeilgiftfrosch wegzulaufen drohte, brachte sein geliebtes Exemplar zu Uwe Wünstel. Die ältesten Tiere im Reptilum in der Pfalz sind übrigens zwei Wasserschildkröten, 52 Jahre alt. Als der Minizoo von Uwe Wünstel aus den Nähten zu platzen drohte, erblickte die Idee vom Reptilium in der Pfalz das Licht der Welt. Uwe Wünstel hängte seinen Maurerberuf an den Nagel: „Dass das nicht mein Lebenswerk sein wird, hatte ich schnell erkannt.“ Alle notwendigen Tierschutzprüfungen legte er in den Jahren 2002 und 2003 ab. Als Autodidakt sog er viel Wissen auf und wird heute sogar bei gerichtlichen Entscheidungen in Sachen Zootierpflege als Experte zu Rate gezogen. Inzwischen sind 28 Mitarbeiter im Reptilium – vom Doktor der Biologie bis zum Azubi – beschäftigt. Nadine Wünstel, seine Frau, ist für das Marketing zuständig. Das Reptilium ist ein ideales Busreiseziel, auch für Schulklassen. Im nächsten Jahr, wenn die Landesgartenausstellung in Landau stattfindet, wird das Reptilium auch vertreten sein und in jeder Woche an drei Terminen im „Grünen Klassenzimmer“ Biologie zum Anfassen zelebrieren.

Königscobra war illegal eingewandert
Auch illegale Einwanderer gibt es im Reptilium. So war im Jahr 2010 auf dem Flughafen in Frankfurt am Main eine Fracht mit Reptilien angekommen, ohne die entsprechenden Papiere. Was tun? Der Flughafen rief bei Uwe Wünstel an. Angekommen am Flughafen, sah er, dass einer der illegalen Insassen eine 2,5 Meter lange Königskobra war, die größte Giftschlange der Welt. Respekt ist angebracht. Mit dem Einsatz von Schlangenhaken und Greifern gelang es dann, das Tier in ein Behältnis zu bugsieren und im Terrarium in Landau auszusetzen. Anfassen verboten, nur anschauen – an diese Regel hält sich in diesem Falle selbst Uwe Wünstel. Die Popularität des großzügig angelegten Reptiliums ist fast noch schneller gewachsen als der Zoo selbst. Nicht nur Eintragungen ins Gästebuch von Günther Jauch oder Rüdiger Nehberg zeugen davon. Kamerateams von ARD und ZDF bis zu Galileo auf Pro Sieben waren schon zu Gast. Und erst unlängst, im Februar, hatte Uwe Wünstel einen Auftritt in Stern TV. Die Dschungelkönigin war in der Sendung zu Gast. Gewöhnt an ausgefallene Kost, sollten ihr auch in der Sendung ein paar Leckerbissen kredenzt werden.

Wokgemüse? Aber bitte mit Schabe!
Für den Hobbykoch Uwe Wünstel genau der richtige Auftritt. Denn seit einiger Zeit bietet das Reptilium auch Kochkurse an. Keine gewöhnlichen natürlich, sondern Insektenkochkurse. Uwe Wünstel kommentiert das mit unverstelltem Blick: „Auf vielen Märkten in Südamerika, Asien und Afrika werden Insekten angeboten. Das ist dort ein Grundnahrungsmittel.“ Von Reisen dorthin, in die Heimat seiner Zoobewohner gewissermaßen, zurückgekehrt, fing er gemeinsam mit dem ebenfalls kochbegeisterten Biologen des Zoos an, Rezepte auszuprobieren. Was am besten schmeckt, wird in diesen Kochkursen - nur auf Anmeldung - nachgekocht und dann serviert: Spießchen mit Steppengrillen als Gruß aus der Küche. Als Hauptgang Wokgemüse an Basmatireis mit Schwarzkäferlarven und obendrauf eine Waldschabe. Zum Dessert Pralinen mit Wachsmottenraupenfüllung. Lassen wir es dabei bewenden. Die Menüfolge ruft ja geradezu nach einem Verdauungsschnaps. „Selbstverständlich“, sagt Uwe Wünstel, „wir servieren einen Willi aus der Pfalz, einen Williams Christ, natürlich mit Maden als Einlage.“ (jw)