Forscher und Industrie haben diese Technologie wieder für sich entdeckt und arbeiten intensiv an ihrer Nutzung.

Bushersteller wie Van Hool und Solaris sind in diesem Bereich bereits gut aufgestellt. Auch die Lastwagenbauer von Daimler und Volvo verkündeten im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Brennstoffzellen-Antrieben. Seit Ende 2019 gibt es auf dem deutschen Busmarkt einen weiteren Akteur, der Brennstoffzellenbusse für den ÖPNV entwickelt: „Buses4Future“. Hier ist der Name Programm. Der Start-up wurde im Oktober 2019 von den vier Gesellschaftern Hans Hermann Schreier, Jochem Huygen, Susanne Schreier und Theo Hendriks in Oldenburg gegründet. Alle vier Gründer bringen eine natur- und wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung, sowie langjährige Berufs- und unternehmerische Erfahrung in das Start-up ein. Sie haben sich mit gebündeltem Know-how aufgemacht, Technologieführer und Wegbereiter emissionsfreier Mobilität zu werden. Angesichts der mit großer Intensität vorangetriebenen Entwicklungen auf diesem Markt ist ihre Vision gar nicht mal so abwegig – zumal die praxiserprobte Technologie, die „Buses4Future“ anbietet, mittlerweile die Verkehrsbetriebe in Deutschland hat aufhorchen lassen. „Wir verfügen über die Herzstücktechnologie. Die höchste Wertschöpfung liegt ja an der Eigenentwicklung dieser Technologie“, betont Schreier.

Hans Hermann Schreier, einer der Gesellschafter, ist 73 Jahre alt und hat im Laufe seiner beruflichen Laufbahn aus dem Nichts so einiges aus dem Boden gestampft. Nach seinem Chemiestudium hat Schreier in dem Sektor analytische Radiochemie promoviert. Danach arbeitete er in einem Großforschungszentrum des Bundes, gründete mehrere technologieorientierte Unternehmen – die größte ist Nanofocus AG, wo er Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender war – und brachte das Unternehmen 2005 an die Börse. „Wir sind ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Gründerteam, so sind wir alle über sechzig – ein Alter, in dem man Unternehmen eher abgibt als aufbaut. Doch unsere Gründungsidee ist einfach zu wichtig, um sie nicht zu verfolgen“, sagt Schreier.

In den Bussen, die das Start-up entwickelt, kommen innovative Brennstoffzellenantriebe mit regenerativem Wasserstoff zum Einsatz. Die Brennstoffzellensysteme, die „Buses4Future“ einsetzt, stammen von der Firma Hymove aus Arnheim, die diese Systeme entwickelt und herstellt. Schreier sieht in „Buses4Future“ großes Potential, den öffentlichen Verkehr nachhaltig zu verändern und bezeichnet den Brennstoffzellen-Antrieb von Hymove als eine vielversprechende Entwicklung. Die Partnerschaft zu Hymove entwickelte sich aus dem gemeinsamen europäischen Projekt „Super Surf“, das sich mit der Qualitätssicherung von Brennstoffzellenkomponenten für die emissionsfreie Mobilität beschäftigte. Man habe bei der Zusammenarbeit geforscht und herausgefunden, dass der Verschleiß bei den Brennstoffzellen verschwindend gering sei, da Brennstoffzellen eingesetzt würden, die sehr hochwertig seien. „Wir haben den Antrieb nicht nur entwickelt, sondern haben über unsere Partner auch den Proof of Concept“, sagt Schreier.

Zwei Demobusse, ausgerüstet mit dieser Brennstoffzellentechnologie, hat der Busbetreiber Keolis über zwei Jahre (2017-2019) im regulären Fahrplanbetrieb in Arnheim Apeldoorn auf Herz und Nieren getestet. Sie hatten einen Aktionsradius von 460 Kilometern und legten am Tag 270 bis 440 Kilometer zurück. So hat der Betreiber praktische Erfahrungen mit dem Fahren, Betanken und der Wartung von Wasserstoffbussen sammeln können. Keolis zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. Die Brennstoffzellensysteme in den Keolis-Bussen haben sich in der Praxis als sehr effizient und zuverlässig erwiesen, berichtet der Busbetreiber. Die Busse seien während des gesamten Zeitraums ständig einsatzbereit gewesen, da ihr Wartungs- und Reparaturaufwand gering sei.

Geringer Verbrauch, hohe Reichweite

Der Verbrauch betrage 6,1 kg Wasserstoff auf 100 km und liege damit 30 Prozent unter dem Verbrauch von Wasserstoffbussen mit Systemen anderer Lieferanten, resümierte Keolis. Zudem seien die Fahrzeuge 96 Prozent der Zeit einsatzbereit gewesen. Die Durchschnittskosten pro Kilometer seien mit denen von Diesel- und Erdgasbussen vergleichbar, bestätigte auch Hans Hermann Schreier.

Seit Dezember 2020 ist auch ein Demobus in Münster im Einsatz. Schreier ist es gelungen, den ersten Brennstoffzellenbus für mehrere Jahre an die Stadtwerke Münster zu vermieten. Mit den ersten Ergebnissen zeigte sich das Energie- und Mobilitätsunternehmen in Münster zufrieden und beauftragte „Buses4Future“ kürzlich mit der Entwicklung von drei neuen Brennstoffzellenbussen. „Das ist ein wichtiger, großer unternehmerischer Erfolg für unseren Start-up“, freut sich Hans Hermann Schreier. Gespräche mit weiteren Verkehrsbetrieben seien bereits im Gange. Aufträge weiterer Stadtwerke würden bereits vorliegen.

„Wir wollen diese Technologie mit Augenmaß stetig weiterentwickeln und arbeiten dabei eng mit Zulieferern zusammen“, so Schreier weiter. Die größte Herausforderung dabei sei, mittelfristig die Total Cost of Ownership (TCO) zu senken. Derzeit veranschlage man 1,20 Euro pro gefahrene Kilometer (Diesel = 0,85 Euro). Das soll sich aber ändern, verspricht Schreier. Im Augenblick sei dies aufgrund unterschiedlicher Förderprogramme auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene vertretbar. Wenn Kommunen momentan Wasserstoffbusse anschaffen, werden Schreier zufolge 80 Prozent des Wasserstoffanteils gefördert. „Es ist aber signifikant, die TCO-Kosten zu senken, deshalb arbeiten wir unter anderem an einem Predictive Maintenance-Konzept“ (zu Deutsch: vorausschauende Wartung). Gemeinsam mit Zulieferern wollen die Gründer von „Buses4Future“ insbesondere auch die Investitions-Kosten senken, weil die Materialien noch relativ teuer seien, erklärt Schreier. Dafür habe man bereits einen Drei-Stufen-Plan entwickelt. Darunter fällt eine eigene Fertigungsstätte, Montage sowie die Eigenproduktion einzelner Komponenten.
Ziel von „Buses4Future“ ist, zusammen mit kleineren Bus-herstellern 12- und 18-Meter-Busse mit Brennstoffzellenantrieb und regenerativem Wasserstoff zu produzieren. Bis 2024 will man mindestens 200 Busse verkauft haben. Gelinge „die Marktführerschaft von 50 Prozent, könnten die Absatzmengen pro Jahr bei der Produktion von 500 Bussen für Deutschland und 2.500 für den EU-Raum liegen“, kalkuliert Hans Hermann Schreier. Askin Bulut