Nur ein Mittel zum Transport? Nein, das sind Fähren längst nicht mehr, sie sind viel mehr als das. Unter touristischen Gesichtspunkten kommt den Fährschiffen eine große Bedeutung zu. Der Erlebniswert gewinnt neben der Beförderung immer mehr an Bedeutung, denn viele Fähren haben Restaurants, Geschäfte, Bars, Tagungsräume und Fitnessbereiche. Den Erlebnischarakter der Fährschifffahrt stellt die deutsch-dänische Reederei Scandlines für Reisende nach Skandinavien seit einigen Jahren verstärkt in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten.
Das jüngste Beispiel dafür sind die beiden Hybridfähren „Berlin“ und „Copenhagen“. „Der Urlaub beginnt bereits an Bord der Fähre“, sagt Morten Haure-Petersen, Chief Customer Officer (CCO) bei Scandlines. Haure-Petersen ist seit 2011 in der Geschäftsführung von Scandlines. Er verantwortet die gesamten kommerziellen Bereiche. Aufgewachsen ist der heute 52-Jährige an der Nordwestküste Dänemarks. Heute lebt der Vater zweier Kinder in Berlin. 2011 befand sich die Zentrale von Scandlines noch in Berlin, deshalb ist er nach Berlin gezogen. Am Anfang hat er sich schwer getan Berlin zu mögen, „aber nach einer gewissen Zeit lernt man die Stadt zu genießen“, sagt er. Berliner Schnauze findet er richtig „jut“. Er will auch weiterhin in Berlin bleiben, obwohl die Scandlines-Zentrale inzwischen nach Kopenhagen gewechselt hat. Einen Großteil seines Arbeitslebens hat er in Deutschland verbracht. Im Laufe seiner beruflichen Karriere sammelte Haure-Petersen Erfahrungen vor allem als Hotelier und später in der internationalen System-Gastronomie, im Retail und Catering. Durch sein fundiertes Know-how im Dienstleistungsgewerbe hat Haure-Petersen unter anderem den Servicegedanken bei Scandlines maßgeblich geprägt und die Sicht auf den Kunden mit innovativen Ideen umgeformt. Er stieg in einer tiefgreifenden Umbruchphase bei Scandlines in das Fährschiffgeschäft ein – geprägt durch Eigentümerwechsel, große personelle Änderungen und die Finanzkrise. Dann begann die Umstrukturierung und man stellte sich die Frage, wie wollen wir uns in Zukunft aufstellen? Kurz darauf verkaufte die Fährreederei einen Großteil ihrer Frachtrouten. Das Management entschied, sich stärker auf das Passagiergeschäft zu fokussieren. So kam es dann auch. Scandlines bedient heute nur noch die Linien Rostock-Gedser sowie Puttgarden-Rødby, die Vogelfluglinie. Im Mittelpunkt stehen dabei guter Service und ein abwechslungsreiches An- Bord-Erlebnis auf den Fähren sowie umfassende Einkaufsmöglichkeiten in den Border- Shops an Land.
„Wir konzentrieren uns auf die Kurzstreckenrouten und das hat sich ausgezahlt. Der Fährverkehr wächst stetig und wir wachsen etwas mehr als der Markt“, erläutert Haure- Petersen. Wie viel Wettbewerb herrscht eigentlich auf diesen Strecken? „Es gibt sehr viel Wettbewerb, insbesondere durch Brücken und Direktfähren nach Schweden von Deutschland und Polen aus“, erklärt der CCO. Die Überfahrtszeit zwischen Rostock und Gedser auf der Insel Falster beträgt eine Stunde und 45 Minuten und zwischen den Häfen Puttgarden und Rødby auf der Insel Lolland verkehren vier Doppelendfähren im Halbstundentakt mit einer Fahrzeit von nur 45 Minuten. Zwischen Puttgarden und Rødby verkehren die Fähren 96 Mal pro Tag (hin und zurück) und zwischen Rostock-Gedser 21 Mal (11 Abfahrten von Rostock aus und 10 von Gedser) aus.
Speziell für die Route Rostock- Gedser hat Scandlines zwei neue Hybridfähren bauen lassen: die „Berlin“ und „die Copenhagen“. Die 169 Meter lange Fähre „Berlin“ wurde Anfang Mai 2016 in Rostock getauft. Beide Hybridfähren sind jetzt in Betrieb. Durch eine größere Kapazität auf den Wagendecks können bis zu 300 Passagiere mehr befördert werden, insgesamt 1.300 Personen. Außerdem können die neuen Hybridschiffe durch die geräumigen Fahrzeugdecks jetzt bis zu 30 Busse pro Tag und Fahrtrichtung mitnehmen. Für Gruppen hat Scandlines attraktive Bereiche im Buffetrestaurant geschaffen, die auf Wunsch reserviert werden können. „Die Schiffe kommen bei den Gästen gut an, die Infrastruktur auf den Schiffen funktioniert sehr gut“, freut sich Haure-Petersen über die positive Entwicklung.
Trotz der kurzen Verweildauer auf den Fährschiffen, ist das Angebot an Bord sehr groß: ob Parfüm, Süßwaren, Spirituosen oder typisch dänische Glasprodukte als Souvenir – die Bordshops laden zum Bummeln ein. Wer möchte, kann sich an Deck die frische Seeluft um die Nase wehen lassen oder besucht eines der Bordrestaurants, um sich zu stärken. Auf die Frage, was Morten Haure-Petersen an seiner Arbeit am meisten Spaß macht, antwortet er: „Dass unsere Kunden zufrieden sind. Mich freut es jedes Mal aufs Neue – wenn ich auf der Fähre bin oder am Hafen stehe – in die erwartungsvollen Gesichter der Gäste zu blicken, die sich auf ihren Urlaub freuen. Und wir können ihnen einen Aufenthalt auf dem Schiff bieten, bei dem alle Bedürfnisse zufrieden gestellt werden. Es ist schön, ein Produkt anbieten zu können, das die Menschen mögen. Wir bereiten mit unseren Schiffen viel Freude.“
Das Bussegment ist bei Scandlines im Vergleich zu den anderen beiden Bereichen wie Pkw und Lkw die kleinste Sparte, sowohl vom Umsatz als auch vom Volumen her. „Aber es ist ein wichtiges und interessantes Segment für uns“, betont Haure-Petersen und ergänzt: „Wir freuen uns immer über die Busgäste. Durch die Gruppen wird es lebendiger an Bord.“ Kürzlich hat auch er eine Fahrt mit dem Bus unternommen, und zwar mit dem Fernbus von Kopenhagen Richtung Süden. „Ich hatte ganz vergessen, wie es ist, mit dem Bus zu fahren“, gesteht er. Das letzte Mal ist er als Schüler in einen Bus gestiegen. Umso positiver war er nach seiner Fahrt von der Qualität der Busse und „der Behaglichkeit der Reise“ überrascht. Askin Bulut