Und wenn doch, läuft die Nachfolge selten reibungslos ab. Doch es gibt auch Firmen, bei denen sich abzeichnet, dass der Generationswechsel harmonisch vonstatten gehen kann. So bei Binder Reisen, traditionsreiches Busunternehmen in Stuttgart. Inhaber und Geschäftsführer Harald Binder hat mit seinen Söhnen Christian, Philipp und Maximilian – die bereit und in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen – den Fortbestand seines Unternehmens gleich dreifach abgesichert.

Seit nunmehr über 90 Jahren und drei Generationen prägt das Stuttgarter Unternehmen Binder Reisen durch seine Innovationskraft sowie einem ausgeprägten Sinn für Qualität und Kundenorientierung die Busbranche. Das Geschäfts- portfolio des mittelständischen Unternehmens ist breitgefächert. Binder Reisen ist längst kein reiner Busreiseveranstalter mehr. Als Veranstalter von hochwertigen Gruppenreisen per Bus und Flug bietet Binder Reisen unter dem Motto „Urlaub mit Kultur“ exklusive Kulturreisen von der Tagesfahrt „im Ländle“ bis hin zu Studienreisen in ganz Europa an. Mit dem Kauf des Münsinger Reiseveranstalters Heideker Reisen im Jahr 2019 hat Binder sein Reiseangebot erheblich erweitert. Mit Binder und Heideker setzt das Unternehmen auf zwei Marken und das soll auch in Zukunft so bleiben. Umstrukturierungspläne gibt es zwar, aber durch die Corona-Pandemie bleiben diese vorerst in der Schublade.
Darüber hinaus hat sich das Unternehmen aus dem Ländle zum bedeutenden Ansprechpartner für namhafte im Raum Stuttgart ansässige Unternehmen und Konzerne in Sachen Shuttle- und Transferservice sowie Werksverkehre entwickelt. Zu den weiteren wichtigen Standbeinen des Unternehmens gehören der ÖPNV und Anmietverkehr.

Seniorchef Harald Binder führt das Unternehmen derzeit gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Christian (46) der seit der Heideker-Übernahme primär die Geschicke von Heideker Reisen leitet. Der gelernte Reiseverkehrskaufmann soll mal „der Kopf des Unternehmens werden“, sagt Harald Binder im Gespräch mit dem Bus Blickpunkt.

Seit der Corona-Pandemie arbeitet der Junior-Chef unternehmensübergreifend und die Aufgabenbereiche haben sich dadurch etwas verschoben. Corona hat auch bei Binder Reisen einiges durcheinandergewirbelt. Mit der Einführung der Kurzarbeit wuchs gleichzeitig auch das Arbeitsvolumen in der Geschäftsführung. Themen rund um Corona-Hilfen sowie ÖPNV-Ausschreibungen liefen in dieser Zeit hauptsächlich über den Tisch von Christian Binder.

Unterstützt werden Harald und Christian Binder von Philipp (35) der zukünftig, so der Plan, gemeinsam mit Christian Binder den Familienbetrieb führen soll. Der Jüngste in der Binder-Familie ist Maximilian (26) Auch er ist ambitioniert und motiviert, in das Familienunternehmen einzusteigen. Der gelernte Industriekaufmann hat nach seiner Ausbildung bei Evobus ein Aufbaustudium (Business Administration) aufgenommen, welches er in 2022 abschließen wird. Tagsüber arbeitet er im elterlichen Betrieb mit und abends konzentriert er sich auf sein Studium. Seine Stärken liegen im Kaufmännischen, sagt er.

Auf die Frage, wofür genau denn Binder Reisen steht, antwortet Harald Binder: „Wir stehen für Qualität und Zuverlässigkeit. Man habe die Kunden und ihre Bedürfnisse nie aus den Augen verloren. „Unser Slogan lautet ‚Urlaub mit Kultur‘, dabei geht es vor allem auch um die Art und Weise, wie wir arbeiten und unsere Reisen durchführen. Qualität steht im Vordergrund“, betont der Senior-Chef. Gute, langjährige Mitarbeiter im Verkauf, in der Reiseplanung und auch gute Reiseleiter und ein Stamm an exzellenten Busfahrern sind laut Christian Binder wesentlicher Garant für den Erfolg des Unternehmens.

Binder Reisen wie auch Heideker Reisen sind zwei starke Marken im Kultursegment. In diesem Bereich wird großer Wert auf eigene Reiseleiter und ein hochwertiges Programm gelegt. Auch vor Ort in den jeweiligen Destinationen arbeite man seit vielen Jahren mit denselben Reiseleitern zusammen.
Entscheidend für solche qualitativ hochwertigen Reisen sei vor allen Dingen auch: keine Reisen von der Stange. Wenn man ein solches Produkt anbietet, brauche man das Know-how im Haus. Man müsse sich auskennen und Zeit investieren, erläutert Harald Binder. Dieser Bereich definiere sich weniger über den Preis als über die Leistungen, also muss alles funktionieren, so Binder weiter. „Der Preis ist nicht ausschlaggebend für die Reiseentscheidung. Deshalb lohnt es sich, in eigene Expertise zu investieren“, unterstreicht der erfahrene Touristiker. Er selber lässt es sich nach wie vor nicht nehmen, die Reisegäste persönlich zu begrüßen – wenn er es zeitlich einrichten kann. „Viele kenne ich persönlich“, begründet er.

Eine moderne Busflotte, die in der Regel nach spätestens sechs Jahren erneuert wird, zeichnet das Busunternehmen außerdem aus. Der Fuhrpark von Binder und Heideker Reisen zusammen besteht aus 22 Reisebussen, 15 Kleinbussen und fünf Linienbussen. „Wir können alle Fahrzeuggrößen abdecken: vom Transfer zum Flughafen mit dem Pkw bis zu Großveranstaltungen mit mehreren Tausend Gästen“, verrät Christian Binder.

Trotz Corona ist das Unternehmen weiterhin gut aufgestellt und hofft, sobald wieder Normalität einkehrt, das Niveau vor Corona erreichen zu können. Man ist zuversichtlich und blickt als Unternehmer in einer krisenerprobten Branche optimistisch in die Zukunft. Hoffnung schöpft Harald Binder vor allem aus den zurückliegenden Erfahrungen im Sommer vergangenen sowie diesen Jahres: „Ich war sehr überrascht, wie schnell die Reisegäste nach dem Lockdown wieder zurückgekehrt und Reisen gebucht haben. Wir hatten gute Buchungs- und Durchführungszahlen trotz den Einschränkungen. Der Reiseverkehr hat schnell angezogen“, berichtet er. Allerdings haben sich auch einige Bereiche, in denen Binder Reisen tätig ist, kaum bis gar nicht erholt, so zum Beispiel die Werksverkehre oder der Anmietverkehr. Eingebrochen sind auch Flugreisen oder die Schulfahrten, doch gänzlich weggebrochen sei bisher kein Geschäftsbereich.

Im Reisesegment verfügt Heideker Reisen neben profundem Know-how im Kulturbereich auch über Wanderreisen. Diesen Bereich hat Christian Binder in der Corona-Pandemie ausgebaut. Zudem wurden Urlaubsreisen an die deutschen Küsten vermehrt angeboten, die auf die erhoffte Nachfrage stoßen.

Auch in Zukunft wird das Stuttgarter Busunternehmen an seiner bewährten Binder-Strategie festhalten. „Damit sind wir immer gut gefahren“, erklärt Harald Binder. Das Unternehmen sei gut aufgestellt und ausgerüstet für die Zukunft. „Wir sind in der Lage, auch kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren“, ist der erfahrene Senior-Chef überzeugt. Deshalb sieht die Geschäftsführung derzeit keinen Anlass für einen grundlegenden Strategiewechsel. „Mit innovativen Ideen und attraktiven Programmen, kann man erfolgreich am Markt bestehen. Wir zielen erst mal darauf ab, das Niveau vor Corona zu halten“, resümiert Harald Binder und fügt abschließend an: „Das ist eine Momentaufnahme“. Wie sich die Branche letztendlich entwickeln wird, könne man derzeit nur mutmaßen, aber spätestens im zweiten Quartal des nächsten Jahres „wird sich abzeichnen, wie wir die Krise überstanden haben.“

Askin Bulut