Der Weihnachtsmann gilt als älterer, etwas dicklicher Herr mit Rauschebart und einer tiefen Grabesstimme. Gemessen an den modernen Schönheitsidealen ist er also nicht gerade das, was man als attraktiv bezeichnen würde. Dass es auch anders geht, beweist Santa Pauli, Hamburgs geilster Weihnachtsmarkt, der am 21. November am Spielbudenplatz auf der Reeperbahn in St. Pauli eröffnet wurde. Hier gibt es genau genommen sogar mehrere Weihnachtsmänner. Die sind allerdings weiblich und deutlich spärlicher gekleidet als der gütige Rauschebart. Doch, auch die Weihnachtsfrauen vom Santa Pauli bringen Wärme in die Herzen der Menschen – wenn auch womöglich auf eine etwas andere Art und Weise.
Gute Stimmung im Strip-Zelt
Sie erfreuen ab jetzt täglich bis zum 23. Dezember vor allem das Auge. Und zwar mit Go-go-Tänzen und Strips. Dass das etwas völlig anderes als der aus klassischen Stripclubs bekannte Pole- Dance ist, erklärt die 28-jährige „Lea“, die unter diesem Künstlernamen seit drei Jahren für die Tänzerplanung auf dem Weihnachtsmarkt „Santa Pauli“ zuständig ist. Beim Go-go- Tanz geht es nämlich vor allem um Unterhaltung und das Verbreiten von guter Stimmung.
Hinterzimmerbespaßung ist nicht
Der Stangentanz wird auf dem „Santa Pauli“ höchstens mal von einigen Tänzerinnen in ihre ästhetischen Darbietungen eingebaut. Mit Geldscheinen im Ausschnitt und Hinterzimmerbespaßung hat das rein gar nichts tun. Zumal es auch drei männliche Tänzer in der Kolonne gibt, die dafür sorgen, dass auch die Augen der Frauen erfreut werden. Von Sonntag bis Donnerstag stehen Lea und ihr Team von 18 bis 23 Uhr, von Freitag bis Samstag sogar von 18 bis 1 Uhr auf der Bühne.
Zum Tanzen per Zufall
Richtig gelernt hat Lea das Tanzen, ebenso wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, aber nie. „Ich mache das jetzt schon seit über zehn Jahren. Man kann sich viel antrainieren und von anderen abschauen.“ Im richtigen Leben ist Lea übrigens gelernte Köchin. Diesem Job ist sie auch bereits als Siebzehnjährige nachgegangen. Dann klingelte eines Abends bei ihr das Telefon. Eine gute Freundin war am Apparat: „Mir ist eine Tänzerin ausgefallen – du musst einspringen“. „Ich habe ihr erst mal abgesagt, weil ich am nächsten Tag arbeiten musste“, sagt Lea. Außerdem habe sie zu bedenken gegeben, dass sie weder tanzen könne, noch ein geeignetes Outfit für eine solche Gelegenheit besitze. „Kriegst du alles von uns und das mit dem Tanzen bekommst du auch hin“, soll die Freundin gesagt haben. Und ja, es hat funktioniert, bis heute.
Markt auch für Familien und Kinder
Vom Tanzen leben kann Lea allerdings nicht. „Ich bin seit Jahren selbstständig und gehöre zu den Menschen, die gerne jeden Tag einen anderen Job haben. Alles andere langweilt mich“, sagt sie. Deshalb ist sie manchmal Tänzerin, manchmal Kellnerin, manchmal Köchin, Messehostess oder was auch immer gerade anfällt. Wer sich einen Besuch auf dem Kiez-Weihnachtsmarkt so vorstellt, wie einen gewöhnlichen Besuch auf der Reeperbahn, ist übrigens mindestens schief gewickelt. „Der Santa Pauli ist so etwas wie eine Insel auf der Reeperbahn, auf der es sehr ruhig und familiär zugeht“, sagt Lea. „Das klassische Reeperbahn-Publikum kommt hier eigentlich gar nicht her.“ Und tatsächlich, zur Eröffnungsstunde des Weihnachtsmarktes haben sich – inmitten von Ständen, an denen etwa Holzdildos aus dem Odenwald, Schamhaartoupets aus Echthaar und Penisse aus Seife verkauft werden – zahlreiche Pärchen und Familien mit Kindern versammelt.
Unverkrampfte, intime Atmosphäre
„Dass hier Sex-Artikel verkauft werden gehört einfach zu St. Pauli und unterscheidet uns von allen anderen Weihnachtsmärkten in Deutschland“, findet die 28-Jährige. „Wir haben hier eine sehr unverkrampfte und intime Atmosphäre, bei der sich die Leute entspannen können und sind auch nicht so überfüllt, wie etwa der Weihnachtsmarkt am Rathausplatz.“ Gereicht wird in diesem Jahr übrigens erstmals auch „Glühcola“, ein neues Heißgetränk, das aus Cola Zero und einer spe-ziellen Gewürzmisch- ung besteht. Wahlweise kann dieses an sich antialkoholische Getränk auch mit bekannten Spirituosen, wie etwa Jack Daniel’s oder Captain Morgan veredelt werden. Was den Santa Pauli von anderen Märkten unterscheidet, ist aber nicht nur die Auswahl der Getränke, sondern vor allem sein Humor und der Wille dazu, sich auch mal selbst weihnachtlich auf die Schippe zu nehmen und herzlich zu lachen. So wurde die von Promi-Drag-Queen Olivia Jones gehaltenen Eröffnungsrede von einem Weihnachtschor flankiert, der den Weihnachtsklassiker „O Tannenbaum“ bewusst nicht sang, sondern blies, und zwar stilecht auf Astra-Bierflaschen. Das anschließende Glockengeläut übernahm die Bourlesque- Tänzerin Eve Champagne, ebenso auf eine etwas unkonventionelle Art und Weise.