Die 108. Leserreise des Bus Blickpunkts führte Ende April 2015 in die Schweiz. Auf dem Programm stand auch ein Besuch des Fotomuseums Winterthur (1993 eröffnet) nahe der deutschen Grenze. Fotomuseum – das klingt zunächst nicht sehr spektakulär. Und mancher der mitgereisten Busunternehmer stellte sich unter der Ankündigung Fotomuseum eine Ausstellung mit fotografischem Gerät der letzten 100 Jahre vor. Doch dem ist nicht so. Der Begriff Museum führt etwas in die Irre. Im Fotomuseum werden vor allem thematische Ausstellungen von Fotografen, die im Hier und Jetzt leben, gezeigt. Und diese Fotoreportagen sind spektakulär. Wer mit dem Reisebus ins „Technorma“ Winterthur unterwegs ist oder Basel besucht, dem sei auch ein Besuch des Fotomuseums Winterthur empfohlen.
Noch bis zum 4. Oktober 2015 ist die Ausstellung „Tierisch“ zusehen. Sie zeigt schöne Tierfotos. Setzt diese aber auch immer in Bezug zur gesellschaftlichen Diskussion: Tierrechte, Artenschutz, gentechnische Experimente. Daran schließt sich bis zum 14. Februar eine Ausstellung an, die den Titel trägt: „Enigma – jede Fotografie hat ein Geheimnis.“ Als die Teilnehmer der 108. Bus- Blickpunkt-Leserreise knapp zwei Stunden im Fotomuseum Winterthur verbrachten, beeindruckte die Ausstellung „Krieg ohne Krieg“ des Schweizer Fotografen Meinrad Schade. Er war an diesem Tag auch selbst in der Ausstellung und freute sich über die Resonanz. Meinrad Schade ist einer der besten Fotografen der Schweiz. Er fotografierte für diese Ausstellung, was bleibt, wenn der Krieg vorbei ist.
Vor allem hat er das am Beispiel der ehemaligen Sowjetunion gemacht. Meinrad Schrade fotografierte in Kiew im „Nationalmuseum zur Geschichte des Großen Vaterländischen Kriegs“, wie dort der siegreiche Kampf der Roten Armee gegen den Hitlerfaschismus im Zweiten Weltkrieg dort genannt wird. Er fuhr aber auch nach Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, um eine Siegesparade zu sehen, oder dann nach Paris, um eine der größten Waffenmessen der Welt zu erleben. Die Bilder sind nicht geografisch oder chronologisch geordnet, sondern nach visuellen Kriterien zusammengestellt. Das entfaltet eine unglaubliche Wucht, weil plötzlich die stramme junge Frau im Kriegsmuseum mit der Hostess an der Waffenmesse zu kommunizieren beginnt. Schades Bilder sind nicht einfach Reportagefotos – es entsteht mehr: ein tiefgründiger Blick in ein Thema, das zum Erschaudern aktuell ist.
Meinrad Schade wurde 1968 in Kreuzlingen geboren. Nach abgeschlossenem Studium der Biologie an der Universität Zürich (1996) entschied er sich für die Fotografie und besuchte den ersten Lehrgang für Pressefotografie an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern (1999-2000). Danach arbeitete er als Pressefotograf im Angestelltenverhältnis beim St. Galler Tagblatt. 2003 machte sich Meinrad Schade als Porträt- und Reportagefotograf selbstständig. Seine Arbeit an dem Projekt „Krieg ohne Krieg“, das erst im Nachhinein diesen Titel erhielt, begann bereits 1999. Über den Besuch des Museums zum „Großen Vaterländischen Krieg“ 2007 in Kiew sagt er: „Dieses Kriegsmuseum hat mich unglaublich fasziniert. Es war schon 2007 eines der beliebtesten Museen in der Stadt. Alle gehen dorthin, auch junge Frauen mit ihren Freunden. Krass, wie ein Krieg, der so lange her ist, immer noch so sichtbar ist. Das provozierte in mir die Frage: Wann ist ein Krieg vorbei? Wann hört er auf? Was geschieht neben dem Krieg?“ In der Ausstellung in Winterthur waren auch Fotos aus der Reihe „War and Peace“ zusehen.
Unter diesem Titel spielen in England jedes Jahr einige Leute während fünf Tagen mit echten Panzern aus dem Zweiten Weltkrieg Krieg. Neben den Bildern von echten Kriegsschauplätzen wirken diese arrangierten Szenen schon eher peinlich und zeigen, dass Kriegsspiele offenbar viele Leute begeistern, die sich keine Vorstellung von echten Kriegsschauplätzen machen können – und wahrscheinlich auch nicht wollen. Ein wenig Kriegsverherrlichung und der Deckmäntelchen, das Gegenteil davon zu sein? Meinrad Schade führt sein Projekt „Vor, neben und nach dem Krieg“ in Palästina und Israel fort. Man darf auf die nächste Ausstellung gespannt sein.