„Weg vom Fenster“ war sie zwar nie, aber das Image Garmisch-Partenkirchens ist zum einen ein wenig angestaubt, zum anderen ist der Ort als solcher vor allem bei Jüngeren etwas in Vergessenheit geraten. Nicht zuletzt muss sich auch Garmisch-Partenkirchen etwas einfallen lassen, das aufwiegt, dass die Winter nicht mehr durchweg das sind, was sie einmal waren.
„In diesem Jahr war der Winter in Garmisch-Partenkirchen Ende Januar praktisch vorbei“, sagt Walter Rutz, der sich in seiner Funktion als GaPa-Geschäftsführer bereits sehr wohlfühlt und sich auf das Kommende freut. Kein Wunder bei den vielen Ideen, die er hat. „Es ist zwar nicht so, dass Skilaufen in Garmisch-Partenkirchen gar nicht mehr geht, wenn die Winter kürzer und wärmer ausfallen. Immerhin haben wir die Zug-spitze hier und einige andere


attraktive Ski-Gebiete. Trotzdem bedeutet weniger Schnee eben weniger Schnee – dass Garmisch-Partenkirchen aber gar nicht so sehr auf Schnee angewiesen ist, um für Besucher attraktiv zu sein, muss sich erst einmal  herumsprechen.“ Speziell bei den Jüngeren und ebenso international. Eine Besonderheit bei international operierenden Reiseveranstaltern ist, dass sie sich bevorzugt auf Angebote in der Nebensaison fokussieren. Das kommt Rutz‘ Plänen durchaus entgegen. „In der Nebensaison – also Oktober/November und März/April – hat Garmisch-Partenkirchen noch jede Menge unausgeschöpftes Potenzial, hier liegt eine große Marktlücke.“ Wer für seinen Urlaub nicht auf die Schulferienzeiten angewiesen ist, kann also enorm profitieren. „Entsprechend wollen wir bestimmte Bereiche touristisch stärker ausbauen und vermarkten – eben solche, die auch vergleichsweise wetterunabhängig sind.“ Dazu zählt einerseits das Kongressgeschäft, das Walter Rutz deutlich ankurbeln will. Die vielbeschworene Work-Life-Balance und neue Arbeitskultur in vielen Unternehmen spielt ihm dabei in die Hand, denn wer für diverse Veranstaltungen oder Tagungen nach Garmisch-Partenkirchen kommt, hat alles fürs geeignete Rahmenprogramm gleich vor der Haustür. Für Teilnehmer und Begleitpersonen gleichermaßen.


Walter Rutz‘ großer Vorteil in Sachen Vermarktung und Vertrieb ist, dass er als „Kind der Region“ alles, was Garmisch-Partenkirchen seinen Besuchern anzubieten hat, in und auswendig kennt. Er ist in und mit ihm aufgewachsen, hat sich in und mit ihm entwickelt. Zarte sechs Jahre alt war Walter Rutz 1970, als er seine Passion für die Passionsspiele entdeckte, die er später federführend leitete, und das nicht nur in Bezug auf Orga und Realisation, sondern auch hinsichtlich der Vermarktung als Geschäftsführer. Er wirkte sogar als Darsteller bei den Passionsspielen mit, war u.a. „Kind“ wie „Jünger“, spielte den Johannes und auch eine Hauptrolle im Hohen Rat. Walter Rutz war der Tausendsassa der Passionsspiele. Von dieser, seiner geballten Power profitiert Garmisch-Partenkirchen nun maßgeblich.


Ein weiterer Schwerpunkt in Bezug auf den Ort als Tourismus-Destination soll künftig auf der Entwicklung von Gesundheitsanwendungen und Wellnessangeboten liegen. Von seiner „Tradition“ her ist Garmisch-Partenkirchen ohnehin ein heilklimatischer Kurort – es gibt gute Luft, viel Natur, jede Menge Möglichkeiten, um draußen aktiv zu sein, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass es „schlechtes Wetter“ gar nicht gibt, nur unpassende Kleidung. Man muss nicht einmal superfit sein, um in Garmisch-Partenkirchen Spaß zu haben, es gibt für Sportler und Nichtsportler gleichermaßen Möglichkeiten, sich die Po-
tenziale der Gegend zu erschließen, aktiv wie inaktiv. „Hier liegt ein elementarer Vorteil Garmisch-Partenkirchens gegenüber vergleichbaren Destinationen zum Beispiel in Österreich“, weiß Walter Rutz. „Wenn man anderswo aus Mangel an Schnee nicht ski- oder sonst wie sporteln kann, kann man vielerorts gleich gar nichts mehr. In Garmisch-Partenkirchen setzt man sich einfach aufs Fahrrad oder geht wandern, lässt sich im Spa verwöhnen, schlemmt kulinarisch oder schaut sich den wunderschönen Ort an, der alles hat, was das Besucherherz begehrt – tolle Restaurants und Cafés, Boutiquen, traditionelles Kunsthandwerk, eine schöne, gewachsene und urtypische
Architektur. Man kann die Zugspitze besuchen, die zu jeder Jahreszeit großartig ist, kann an Schanzenführungen zur großen Olympia-Skisprungschanze teilnehmen, den Blick auf die imposante Bergkulisse genießen … . Es gibt nichts, was man in Garmisch-Partenkirchen nicht machen könnte, ganz egal, ob Schnee liegt oder nicht oder Sommer oder eben Übergangssaison ist.“


Für Busreiseveranstalter besonders interessant: Auch auf der Förderung der Bustouristik liegt Walter Rutz‘ Augenmerk. Er sieht Busreisen gerade nach Garmisch-Partenkirchen sogar als besonders attraktiv für Jüngere an. „Viele junge Leute schaffen sich bewusst kein eigenes Auto mehr an, weil ihnen der Nachhaltigkeitsaspekt in ihrem Leben wichtig ist. Das ist eine Chance für die Bustouristik, zumal Busse viel komfortabler sind als beispielsweise die Bahn und Aktivreisen mit dem Bus in den letzten Jahren ohnehin zugenommen und jüngere Zielgruppen erschlossen haben.“ Rutz plant, in Garmisch-Partenkirchen speziell die Infrastruktur für die Bustouristik zu stärken, mehr Busparkplätze und Angebote für Busfahrer und Reiseleiter zu schaffen.
Schon jetzt arbeitet Rutz eng mit der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) zusammen. Sein Traum ist, den RDA nach Garmisch-Partenkirchen zu holen. „Das wäre großartig, der führenden Reisemesse der Bus- und Gruppentouristik präsentieren zu können, was Garmisch-Partenkirchen zu bieten hat“, sagt Rutz. „Wir könnten den Touristikern vor Ort alles zeigen, sodass sie es mit eigenen Augen sehen.“ Zumindest die Infrastruktur gäbe es heute schon her. Und wenn der RDA nach Garmisch-Partenkirchen reiste: Wer könnte es dann nicht? 

 

Judith Böhnke