Aber wie soll das konkret umgesetzt werden? Berlin will mit Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge und mehr Tempo-30-Strecken die Luftqualität in der Stadt verbessern. Der rot-rot-grüne Senat beschloss am Dienstag (23. Juli 2019) die Einführung von Diesel-Fahrverboten für Abschnitte in acht Straßen, darunter mehrere im Bezirk Mitte. Überhöhte Stickstoffdioxid-Werte sind Grund für Fahrverbote für ältere Diesel, die es bereits in Stuttgart, Hamburg und Darmstadt gibt. Andere Städte könnten folgen.
Zu den betroffenen Berliner Straßen mit Fahrverboten für Diesel-Autos und -Lastwagen bis einschließlich Abgasnorm Euro 5 zählen unter anderem Abschnitte in der Leipziger Straße, Reinhardtstraße, Friedrichstraße, Hermannstraße und Silbersteinstraße. Für Anwohner, Liefer- sowie Pflegedienste und Handwerker soll es Ausnahmen geben, wie Verkehrssenatorin Regine Günther nach der Senatssitzung sagte. Es handele sich bei den Abschnitten um eine Gesamtstrecke von 2,9 Kilometern. Zum Vergleich: Das gesamte Straßennetz der Hauptstadt ist nach Senatsverwaltungsangaben rund 5.450 Kilometer lang.
Wann genau die Strecken für ältere Diesel-Fahrzeuge tabu sein werden, ist noch nicht klar. Es gebe kein genaues Datum, sagte die Senatorin und verwies darauf, dass das in den Händen der jeweiligen Bezirke liege. Sie gehe aber davon aus, dass die Umsetzung im August oder spätestens Anfang September beginne. Nach Angaben der Senatsverwaltung wird in Anhörungen mit den Bezirken nun die Umsetzung besprochen.
Neben Durchfahrverboten sollen zudem die Strecken mit Tempo 30 in der Hauptstadt ausgeweitet werden: Auf 33 Straßen mit 59 besonders belasteten Abschnitten. Das entspreche einer Steigerung von zehn Prozent, wie es weiter hieß.
Die Fahrverbote gehen auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zurück. Es hatte im Oktober 2018 die Einführung verlangt, damit die zulässigen Grenzwerte im Stadtgebiet eingehalten werden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte das erzwungen, es laufen noch weitere Verfahren. Hintergrund sind die Stickstoffdioxid-Werte, für die die Europäische Union einen Grenzwert im Jahresmittel von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt hat. In vielen deutschen Städten wird dieser Wert überschritten. Deshalb wird auch auf das Instrument der Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zurückgegriffen. Die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) in Städten stammt zu einem großen Teil aus Diesel-Abgasen.
Im Januar hatte die Umwelt- und Verkehrsverwaltung mitgeteilt, dass die Belastung der Berliner Luft mit Stickstoffdioxid im vergangenen Jahr in der Hauptstadt zurückgegangen sei – aber weiter über dem zulässigen EU-Grenzwert liege. Aus einer Übersicht mit vorläufigen Daten ging damals hervor, dass der Jahresmittelwert 46 Mikrogramm betrug. 2017 waren es 51, im Jahr davor 52 Mikrogramm. Der neue Luftreinhalteplan sieht neben den Fahrverboten und Tempo-30-Strecken auch die Nachrüstung von Linienbussen und kommunalen Fahrzeugen vor. Zudem sollen Flotten erneuert werden und mehr Bereiche sollen entstehen, in denen das Parken kostenpflichtig wird. Das Land hofft so, bis Ende 2020 die Grenzwerte einzuhalten.
Die Entscheidung des Senats zu Fahrverboten sollte eigentlich schon früher kommen. Das Ganze verzögerte sich allerdings. Die Zeitvorgaben des Verwaltungsgerichts konnten den Angaben der Senatsverwaltung zufolge trotz hoher Arbeitsintensität nicht eingehalten werden.
Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte zwar, dass in der Hauptstadt Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Luftqualität zu verbessern. Jedoch gehe ihr das Ganze nicht weit genug. Als Beispiel nannte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch die Ausnahmen für die Lieferdienste in den Fahrverbots-Abschnitte. Es wäre besser, wenn stattdessen die Fahrzeuge mit Förderung umgerüstet würden, sagte er.
Der Senatsbeschluss löste auch bei der Opposition und bei Gewerkschaftern Kritik aus. Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, teilte mit: „Der Personalkörper der Berliner Polizei gibt es nie im Leben her, dass wir alle Verbotszonen dauerhaft im Blick behalten, durch einige ist man mit kurzem Tritt aufs Gaspedal schnell wieder durch und noch haben wir keine entsprechende Plakette.“
Der Automobilclub ADAC Berlin-Brandenburg geht davon aus, dass das Problem der Emissionen nicht durch Fahrverbote gelöst werden wird. Er appellierte an die Landesregierung, weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung voranzutreiben. Dazu zähle eine kostenfreie Hardware-Nachrüstung für Dieselfahrzeuge der Euronorm 5. „Den Fahrzeughaltern in Berlin und im Umland muss eine kostenlose Hardware-Nachrüstung garantiert werden. Noch gibt es jedoch keine zuverlässigen Zusagen seitens Politik und Automobilindustrie“, kritisierte Karsten Schulze, Vorstand für Technik im ADAC Berlin-Brandenburg.