So geschehen in Plauen 2021, als das letzte Neoplan Werk „verscherbelt“ wurde – mit einer der modernsten Lackierereien des sächsischen Vogtlandes. Jetzt trifft es also Polen, konkret das Stadtbuswerk Starachowice in dem seit über 20 Jahren Stadtbusse gebaut wurden. Schon 2014 war das zweite Buswerk in Posen geschlossen worden, wo vor allem der Endausbau stattfand. Neues Kompetenzzentrum für den Busbau wurde – genau: Starachowice. Das soll sich zwar nicht sofort ändern, erstmal sollen nur 860 von rund 3.500 Mitarbeitern, also rund ein Drittel entlassen werden, dazu kommen wohl noch rund ebenso viele Zeitarbeiter, wie intern zu vernehmen ist. Der Münchener Busbauer MAN leidet schon seit längerer Zeit unter einem stark rückläufigen Absatz bei Reise- und in geringerem Ausmaß auch bei den Stadtbussen. Von 2019 ist der Absatz von 7.400 auf 4.600 im vergangenen Jahr zurückgegangen. Dieser Niedergang habe sich 2022 fortgesetzt, wie es in München heißt. Bis Ende Oktober wurden mit dem Löwen- und Neoplan-Logo nur rund 2.837 Busse verkauft (siehe dazu auch das Interview auf Seite 14). In Starachowice, wo vermehrt die eigentlich boomenden Elektrobusse gebaut werden, hatte es deshalb schon seit längerer Zeit Gerüchte um bevorstehende Entlassungen gegeben. Nun macht MAN ernst, versucht aber gleichzeitig, das Thema weitgehend unter dem Deckel zu halten. Selbst nachdem Bus Blickpunkt das Thema drei Tage nach der Verkündung in Polen als erstes Fachmedium ausgegraben hatte, hält man in München eine Information der deutschen Presse weiterhin nicht für nötig. Ob das mit den Ad-hoc-Publizitätspflichten für die Börse d’accord geht, darf zumindest bezweifelt werden. In einer nur in Polnisch im Land veröffentlichten Mitteilung von MAN heißt es: „Aus diesen Gründen ist es dringend notwendig, die Struktur dieses Geschäftsbereichs anzupassen. Die Einnahmeseite soll durch Verkaufsmaßnahmen verbessert werden. Einsparungen werden durch die Reduzierung von Material-, Energie-, Produktions- und Entwicklungskosten erzielt. Außerdem will das Unternehmen die Personalkosten in der internationalen Produktionsstruktur im Busbereich senken.“ Die Formeln sind meistens austauschbar. Die Richtung ist klar: Sterben auf Raten.


Die Entlassungen wurden pikanterweise am Vorabend des polnischen Nationalfeiertages bekannt gegeben – erstaunlich, achtet MAN im Werk Ankara in der Türkei doch peinlich genau auf jeden politischen Feiertag zu Ehren von Staatsgründer Atatürk, und postet diese Huldigungen fortlaufend auf den sozialen Medien, ohne von Münchener Kommunikatoren nachhaltig eingefangen zu werden. In der einzigen MAN-Busfabrik in der Türkei verläuft die Tätigkeit bisher weitgehend normal – hier können neben Reise- und Überlandbussen flexibel auch Stadtbusse (bisher außer Elektrobussen, hierzu sei noch keine Entscheidung gefallen, so ein MAN Sprecher) produziert werden. Vor kurzem wurden ja bereits große Teile von Entwicklung, Homologation und Versuch hierher verlagert. Eine neue Teststrecke kann dagegen nicht wie geplant genutzt werden, weil deren Einfahrt zu eng für Busse ist.
In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden dort 1.318 Busse produziert, 90 Busse mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Grund hierfür dürfte die schwache türkische Währung sein, die den Export aus dem Land stark verbilligt. Zudem werden im Rahmen der 100-jährigen Staatsgründungsfeiern 2024 große staatliche Investitionen und Förderungen erwartet. Unverständlich bleibt aber, dass gerade das Werk, das die Hauptverantwortung für die neuerliche Elektro-Offensive schultern soll, unter derart massivem Mitarbeiterabbau leiden soll. Zumindest hat dieses Vorgehen ein deutliches Geschmäckle, wenn man in einigen Jahren überwiegend Elektrobusse verkaufen will.


Überhaupt gewinnt Ankara immer deutlicher an Bedeutung im Konzerngefüge – es machen sogar Gerüchte um Machtkämpfe zwischen Ankara und den wenigen in München verbliebenen Bereichen die Runde. Traurig, dass ein ehemals so stolzer deutscher Konzern, der klingende Namen wie Penzberg (die erste MAN-Busfabrik in Oberbayern), Stuttgart oder Pilsting zum Produktionsnetzwerk zählen konnte, eine solche Entwicklung genommen hat. Aber wie gesagt – die Geschichte wiederholt sich ja zuweilen.