Die Corona-Kleinstaaterei und der föderale Flickenteppich der einzelnen Bundesländer bei den aktuellen Öffnungsregularien beweist erneut die Lernresistenz der Länderchefs. Aus den Fehlern, die im vergangenen Jahr gemacht wurden, hat keiner etwas dazu gelernt. Andernfalls würde der Restart besser, koordinierter ablaufen und nicht so sinnlos und chaotisch wie in 2020. Damals wurde der Tourismusbranche viel Geduld und Verständnis abverlangt. Es gebe keine Blaupause für solch eine Situation, hieß es. D’accord! Doch welche Ausrede hat man heute, über ein Jahr später für exakt dieselbe Situation und Problematik?

Busreiseverbote werden zwar nach und nach aufgehoben, aber „durch einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen ist in der Praxis trotz erfolgter Freigaben kein wirtschaftlicher Betrieb möglich“, betonte Christiane Leonard, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO), beim virtuellen Presse-Roundtable des Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV) Anfang Juni. Dies treffe nicht nur die Busbranche hart, sagte sie. Aufgrund der engen Verbindung der Busunternehmen zu anderen Teilen der Reisewirtschaft leide das gesamte System weiter mehr als nötig, so Leonard weiter.

Des Weiteren kritisierte die BDO-Hauptgeschäftsführerin die mangelnde Bereitschaft der Politik, an das Thema Überbrückungshilfen und Mischbetriebe heranzugehen. Denn bei den Überbrückungshilfen gehen Mischbetriebe bisher leer aus. Der BDO sei seit vergangenem Jahr an diesem Thema dran. „Wir haben mit allen zuständigen Ministern, Staatssekretären und Abteilungsleitern bis zum letzten Sachbearbeiter gesprochen“, berichtete Leonard bei einem Gespräch mit dem Bus Blickpunkt. Doch der politische Wille, sich diesem Problem anzunehmen, fehle. Man erkenne und verstehe zwar die Problematik, aber möchte kein Fass aufmachen, indem man einer einzelnen, kleinen Branche Zugeständnisse macht. Denn das würde Tür und Tor auch für andere Branchen mit ähnlichen Strukturen öffnen. Also wägt man ab und lässt die Branche sehenden Auges quasi gegen die Wand fahren. „Es ist ein Abwägungsprozess, man lässt die Kleinen über die Klinge springen“, bringt‘s Leonard auf den Punkt. Dabei sollten die Überbrückungshilfen ja genau diesen Unternehmen helfen, die per Gesetz schließen mussten. Aber Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verteilt Steuergelder großzügig lieber an Tui & Co. Hauptsache die großen Konzerne überleben. Tja, da leisten Lobbyisten wohl ganze Arbeit. Man vergisst dabei aber, dass der Mittelstand hierzulande den Großteil der Steuerlast schultert. „Mit den Überbrückungshilfen für Mischbetriebe verhält es sich im Prinzip ähnlich wie mit dem Reisesicherungsfonds“, zieht Leonard Rückschlüsse. Denn auch hierbei wird Politik für Konzerne gemacht.

Politik muss Tourismus ernst nehmen

„In der Krise wurde viel über, aber nicht mit der Branche gesprochen. Wir brauchen eine Politik, die den Tourismus ernst nimmt! Wir brauchen Politiker, die für den Tourismus kämpfen“, lautete ein Fazit beim ersten virtuellen Presse-Roundtable des Aktionsbündnis Tourismusvielfalt, bei dem die aktuelle Situation der Tourismusbranche erörtert wurde. Es kristallisierte sich heraus, dass sich der Mitarbeiterschwund in der Reisebranche pandemiebedingt verschärft hat. Die Hotellerie beispielsweise beklagt einen Schwund von 30 Prozent. Man habe diese an andere Branchen verloren, sagte Zeèv Rosenberg, Vorstand und stellvertretender Präsident der Hospitality Sales & Marketing Association (HSMA) Deutschland. Dabei handele es sich vor allem auch um hochausgebildete Mitarbeiter, berichtete Petra Thomas, ATV-Sprecherin und Geschäftsführerin von Forum Anders Reisen. Mitarbeiterschwund zeichnet sich teilweise auch in der Bus- und Gruppentouristik ab. In erster Linie sind es wohl Busfahrer, die einige Unternehmen an den Güterverkehr verloren haben.

Buchungslage ist sehr verhalten

Meine Gespräche mit Busunternehmern und Busunternehmerinnen wie z.B. Barbara und Britta Dirr, Ostertag Reisen; Hans Aschenbrenner, Aschenbrenner Bus Touristik; Julian Schmitz, Dornburg-Reisen; sowie Jutta Scheiger, OK.go Mobilitäts-AG; – nur um einige zu nennen – haben gezeigt, dass die Branche trotz aller Widrigkeiten optimistisch ist und sich unglaublich vielseitig und flexibel zeigt. Der viel zitierte Flickenteppich macht nach über einem Jahr im Krisenmodus das Hochlaufen ihres Geschäfts unnötig kompliziert. So richtig loslegen kann und mag unter diesen Umständen keiner so recht. Die Buchungen sind sehr verhalten, weil die Kunden verunsichert sind. Der harte Kern will zwar sofort losfahren, aber die meisten trauen sich nicht. Denn es bleiben viele Fragen offen, keiner kann sagen, wie die Situation im August, September oder Oktober aussehen wird. Die Geimpften hingegen drängeln.

Nichtsdestotrotz muss man Angebote erstellen und mit großzügigen Stornoregelungen arbeiten, um den Kunden die Angst zu nehmen. Doch um dies zu ermöglichen, müssten Hotels & Co. den Reisebusunternehmen entgegen kommen - Stichwort Reisevorleistungen. Auf Jahreskataloge haben viele Unternehmen verzichtet. Man hangelt sich momentan von Woche zu Woche und fährt auf Sicht. In die Vollen möchte keiner gehen, um dann möglicherweise wieder zurückrudern und die Programme andauernd ändern zu müssen. Für 2022 scheinen die Reisprogramme aber größtenteils zu stehen. Auffällig sei, dass viele Hotels die Preise ordentlich angezogen haben. Ein weiteres Problem, das die Unternehmen aufgrund der aktuellen Lage vor ein Dilemma stellt: Soll man alle Mitarbeiter wieder aus der Kurzarbeit holen, obwohl die Umsätze tief im Keller sind? Quo vadis, Bustourismus?