Die Versicherer in diesem Bereich kann man an einer Hand abzählen. Ende September wurde öffentlich bekannt, dass einer dieser Versicherer, HDI Global, sich aus dieser Sparte der Insolvenzversicherung zurückzieht. Entsprechend wurden alle bestehenden Verträge zum 31. Dezember 2020 gekündigt.

D.h. Busreiseveranstalter, die über die HDI abgesichert waren, müssen jetzt zusehen, wie sie für 2021 einen neuen Versicherer finden, der sich bereit erklärt, die Absicherung ihrer Kundengelder gegen Insolvenz zu übernehmen. Dies erweist sich nach Recherche des Bus Blickpunkt als sehr kompliziert und schwierig. Denn in der aktuellen Wirtschaftskrise, die die Bustouristik besonders hart getroffen hat, empfängt kein Versicherer bereitwillig die Unternehmen mit offenen Armen. „Hier geht es um Risiken, da ist man an Neugeschäften nicht interessiert“, erklärt Yvonne Hüneburg, stellv. Geschäftsführerin des Landesverbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) auf Nachfrage.

„Das ist eine ganz dramatische Entwicklung, die die Situation für die Betriebe zum Jahresende hin nochmals verschärft“, bedauert sie. HDI lasse nicht mit sich reden oder verhandeln. Der WBO habe sich um die Verlängerung der Verträge bis Ende 2021 bemüht, aber fand kein Gehör. Der Versicherer setze seine Entscheidung gnadenlos durch. Der WBO habe sich an die Führungsspitze des HDI gewandt, doch „auf die Einzelschicksale nimmt man dort absolut keine Rücksicht“. Auf Anfrage des Bus Blickpunkt bestätigte ein HDI-Unternehmenssprecher: „Die HDI Global SE beendet den Bereich der Insolvenzversicherung. Die Entscheidung ist Ergebnis einer strategischen Neuausrichtung in diesem Segment. Wir setzen diese Entscheidung zum nächstmöglichen Termin um (nächstes Renewal). D. h. laufende Verträge werden erfüllt, jedoch keine neuen abgeschlossen. In diesem Bereich aktive Geschäftspartner von HDI Global wurden über die Entscheidung informiert.“ Ja, sie wurden informiert, aber viel zu spät.

Wenn man HDI Glauben schenken darf, sei der Entschluss, sich aus dem Bereich der Insolvenzversicherung zurückzuziehen, nicht aufgrund der Corona-Krise gefasst worden. Man habe diese Entscheidung bereits 2019 getroffen. Aha! Und warum wurden die Versicherungsnehmer zwölf Wochen vor Jahresende, erst Ende September 2020, darüber informiert? Die HDI Global SE handelt nach dem Prinzip „nach mir die Sintflut“ und zieht mit ihrem gnadenlosen Vorgehen Busreiseveranstalter noch tiefer in den Strudel der Existenznot hinein. „Die Busbetriebe sind in ihrer Existenz bedroht, wenn sie keinen neuen Insolvenzversicherer finden, weil sie ihren Geschäftsbetrieb nicht wie gewohnt fortsetzen können. Das ist keine Frage, sondern Fakt. Ihnen wird durch die kurzfristige Ankündigung des HDI der Boden unter den Füßen weggerissen“, verdeutlicht Hüneburg.

Unternehmen müssen sich entblößen

Die wenigen Insolvenzversicherer auf dem Markt machen es den Reiseveranstaltern nicht leicht momentan. Die Unternehmen müssen sich quasi entblößen. Eine vom HDI-Rückzug betroffene Busunternehmerin, die auf der Suche nach einem neuen Insolvenzversicherer ist, erzählte mir in einem Gespräch, dass man als Reiseveranstalter tiefe Einblicke in seine Bilanzen und sonstigen Zahlen gewähren muss. Es müssen umfangreiche Fragebögen ausgefüllt werden. Die allgemeine Aufnahmesituation sei sehr schwierig. Selbst wenn man alles, was gefordert werde, eingereicht hat, sei das noch kein Garant dafür, dass man aufgenommen werde, erklärte sie. Die Not der Reiseveranstalter in der aktuellen Situation auszunutzen, sei unfair. Sie sehe es ein, dass es Anpassungen in diesem Bereich geben müsse, „aber das muss alles verhältnismäßig und im Rahmen bleiben“, mahnt die Bustouristikerin an.

Die Insolvenzversicherer haben die Prämien deutlich erhöht. Wer diese Erhöhungen nicht mitträgt, fliege aus der Versicherung raus, berichteten mehrere Betroffene mir gegenüber. Es werde auch nicht nachverhandelt. Ich hakte bei Tourvers nach. Geschäftsführer Michael Wäldle erklärte, dass die Versicherungssparte Insolvenzversicherung auch in normalen Zeiten nicht sonderlich profitabel sei und die Situation sich durch die Corona-Pandemie, den daraus bereits resultierenden und noch kommenden Versicherungsschäden für den Versicherer dramatisch verschlechtert habe. „Auch wir mussten feststellen, dass erforderliche Rückversicherungskapazitäten für das Versicherungsjahr 2021 nur sehr schwer und zu weitaus höheren Preisen zu bekommen sind. Diese Kosten müssen wir leider in Form von Prämienerhöhungen an unsere Kunden weiter geben. Den Vorwurf, die Krisensituation auszunutzen um Kasse zu machen, müssen wir angesichts der bisherigen und zukünftigen Schadenssituation – die deutlich über den Prämieneinnahmen liegen – ausdrücklich zurückweisen“, so Wäldle weiter.

„Wir haben eine politische Forderung Richtung Berlin formuliert und sehen hier Handlungsbedarf der Politik“, macht Yvonne Hüneburg deutlich. „Es kann nicht sein, dass eine Versicherung darüber entscheidet, ob ein Unternehmen am Markt tätig sein kann oder nicht“, so Hüneburg weiter. Die Busunternehmen seien in einer schlechten Verhandlungssituation und würden gerade ganz neue Verträge aufgedrängt bekommen. Busunternehmer berichten des Weiteren, dass beispielsweise Tourvers vier Prozent der Summe von Gutscheinen, die aufgrund der Stornierungen durch die Corona-Pandemie ausgegeben wurden, haben möchte (das Schreiben von Tourvers mit der Forderung liegt der Redaktion vor). „Die Unternehmen mit vier Prozent zu belasten, ist Wucher und steht in keinem Verhältnis. Da nehme ich doch lieber einen Kredit auf, um die Gutscheine auszuzahlen. Bei einem Darlehen würde man bis zu drei Prozent einsparen“, veranschaulicht einer der verärgerten Busreiseveranstalter. So oder anders, die bittere Wahrheit ist, die Unternehmen sind machtlos gegenüber den Insolvenzversicherern. Sie müssen in den sauren Apfel beißen und ihre Verträge aufrechterhalten, um ihr Geschäftsfeld weiterführen zu können. Und das wissen die Versicherer.