Verkehrte Welt: Fängt der Sommer an, steht auf unserem Redaktionsplan das Thema Weihnachtsmärkte. Busunternehmer planen ein halbes Jahr im Voraus. Sie müssen rechtzeitig wissen, wohin die Busreise zum Jahresende gehen sollte. Noch früher dran als wir ist das Deutsche Weihnachtsmarktforum. Es fand bereits zum dritten Mal statt. Dort treffen sich Chefs deutscher Weihnachtsmärkte. Wer einmal dabei war und gehört hat, mit welchen Problemen sich die Weihnachtsmarktmacher herumschlagen, der geht hinterher anders über die Glitzerwelt in unseren Innenstädten: Ehrfurchtsvoller!
Wie bei den Bestimmungen rund um den Bus, geht es bei der Gestaltung des Weihnachtsmarktes auch darum, bestimmte Regeln einzuhalten. Zum Beispiel: Besteht Brandgefahr, wenn die Bratwurstbude zu weit an der Kirchenmauer steht? Der Feuerwehrmann nimmt´s locker: Wenn die Kirche brennt, ist es sowieso egal, wo die Bude steht. Und wenn die Bude brennt, wird die Kirchenmauer kaum Feuer fangen.
Diesmal ging es, wie kann es auch anders sein, um ein sehr aktuelles Thema: die Digitalisierung des Weihnachtsmarkts. Apps sind wichtig, vollgestopft mit allen Informationen über das Programm des Weihnachtsmarktes. 4.000 bis 6.000 Euro müsse man für das Einrichten einer App rechnen, wurde berichtet. Wer gute Connections habe, komme vielleicht auch mit einem Betrag zwischen 1.000 und 2.500 Euro aus.
Apropos Geld. Der Wein-Nachts-Markt in Traben-Trarbach an der Mosel in unterirdischen Weinkellern startete 2011. Im ersten Jahr stand ein Defizit von 120.000 Euro unter dem Strich. Es gab Prozesse, Entlassungen, Rücktritte von Stadtratsmitgliedern. Ein gefundenes Fressen für die Presse. „Fröhliche Weihnacht“ sieht anders aus. Dann hieß es: Alle an einen Tisch. Inzwischen ist das Defizit auf 22.000 Euro gesunken.
Die wichtigste Erfahrung der Münchner vom Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz: Bioprodukte werden nicht angenommen. Der Münchner will seine Bratwurst mit allem Ballast und dem Geschmack wie immer. Und dann die Tanne. Die wird jedes Jahr genauso heiß diskutiert wie der Bierpreis auf dem Oktoberfest. Im letzten Jahr kam sie aus Norddeutschland. Bei der Besichtigung im Frühjahr 2015 sah sie wunderschön aus. Doch dann kam ein trockener Sommer. Als sie im November in München eintraf, rieselte zwar kein Schnee, wohl aber rieselten die vertrockneten Nadeln. Skandal!
Goldstadt Pforzheim und die Finanzen im ÖPNV
Neues Thema: Der Busverkehr in der Goldstadt Pforzheim war in letzter Zeit des Öfteren in den Schlagzeilen. Das städtische Unternehmen Stadtverkehr Pforzheim (SVP) wird zu Jahresmitte aufgelöst. Die 240 Mitarbeiter erhielten im Mai die Kündigungen. Ab 2017 wird die Bahntochter Regionalbusverkehr Südwest (RVS), Karlsruhe, den Busverkehr in Pforzheim betreiben. Wie kam es dazu? Die Stadt Pforzheim hatte die Vergabe ihres Nahverkehrs europarechtlich ausgeschrieben: Vielleicht auch in der Hoffnung, für sich selbst wieder den Zuschlag per Direktvergabe zu bekommen. Doch dann trat die Bahntochter Regionalbusverkehr Südwest auf den Plan. Sie bot an, den Pforzheimer Busverkehr ohne Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt zu fahren. Diese Zuschüsse sollen, nicht in letzter Zeit, aber in zurückliegenden Jahren schon, einen fast zweistelligen Millionenbetrag erreicht haben.
Auch ein Konsortium aus neun privaten Busunternehmern, das schnell gebildet worden war, hatte noch mitgeboten. Doch ohne Erfolg. Das Regierungspräsidium Karlsruhe als Entscheider gab dann der Bahntochter den Zuschlag. Sie kann vor allem deshalb deutlich billiger fahren, weil sie zu schlechteren Konditionen beschäftigt. Entgegen kam der Bahntochter wohl auch, dass die Stadt Pforzheim es versäumt hatte, im gesamten Verfahren soziale Standards wie die Anwendung eines Tarifvertrages exakt zu benennen.
Wie zu vernehmen war, soll die Bahntochter Regionalbusverkehr Südwest (RVS) bis zu 30 Prozent günstiger fahren als das sich jetzt in Abwicklung befindende Unternehmen Stadtverkehr Pforzheim (SVP). Insider berichten in diesem Kontext von hausgemachten Problemen der SVP. Die Rede ist von einer aufgeblähten Werkstatt und von einem sehr hohen Krankenstand der Mitarbeiter. Wo Frust statt Lust das Klima bestimmt, ist der Weg zum Arzt nicht weit. Kurzum: der Stadtverkehr stand ohnehin im Ruf, unwirtschaftlich zu sein. Wie dem Problem beikommen? Ein Beobachter der Szene, fasste seine Sicht auf die jetzt erfolgte Auflösung des Stadtverkehrs Pforzheim so zusammen: „Nach außen vergießt die Stadt Krokodilstränen, während beim Kämmerer die Sektkorken knallen.“