Die versöhnlichen Töne aus Brüssel werden beim bdo gerne vernommen

Und tatsächlich ist die Eigenwirtschaftlichkeit das A und O, gewissermaßen der Schlüssel zum privaten Busunternehmertum – zumal, wenn es um den für die Verkehrswende so wichtigen ÖPNV geht. Mehrfach und mit Verve hat der VDV zum Beispiel das „Jahrzehnt des Busses“ ausgerufen, in dem die Verdoppelung des ÖPNV bis 2030 gestemmt werden soll. Und das wird kaum ohne privatwirtschaftliches Engagement gelingen können. Dass die fortschreitende Kommunalisierung nicht nur gute Seiten hat, zeigt das Beispiel von Rheinland-Pfalz, wo der ÖPNV als Daseinsvorsorge sogar in die Landesverfassung aufgenommen wurde. Was aber nicht verhindert hat, dass bei einer kommunalen Neuorganisation des Verkehrs wie in Bad Kreuznach erst einmal das pure Chaos ausbricht für Monate, und Schulkinder nicht von A nach B kommen. Man wollte das Rad mal eben neu erfinden und das Alte schnell über Bord werfen. So weit so unerfreulich.


Verhalten freuen kann sich dagegen der bdo zur Zeit, dass er sich auf gutem Weg wähnt, die grundlegende Eigenwirtschaftlichkeit, oder zumindest deren regulativen Bausteine, die auf so schöne Kürzel wie VO (Vergabeordnung), ÖDA
(Öffentlicher Dienstleistungsauftrag) und aV (allgemeine Vorschrift) hören, auch fester in den europäischen Vorgaben zu verankern – nicht immer gelingt dies ja zur Zufriedenheit der nationalen Player – siehe die Euro 7-Gesetzgebung oder die unsägliche Margensteuer. Seit 2021 wird in Brüssel und anderswo heftig über die entsprechende Verordnung Auslegungsleitlinien zur EU-VO 1370/2007 gestritten, die jetzt vorgelegt wurden. Und siehe da, der bdo ist für seine Verhältnisse voll des Lobes: „Die Leitlinien entsprechen im Großen und Ganzen der Rechtsauffassung des bdo und werden zur Sicherstellung und Verbesserung des Vorrangs der Eigenwirtschaftlichkeit in Deutschland führen.“ Das klingt nach vollem Erfolg der Lobbyarbeit, für die man sich in der Berliner Reinhardstraße erst personell verstärkt hat. Und weiter heisst es in einer Stellungnahme: „Insbesondere stellen die Leitlinien klar, dass es ein uneingeschränktes Wahlrecht des Aufgabenträgers zwischen ÖDA und aV nicht gibt, sondern die aV als milderes Mittel bei der Festsetzung von Höchsttarifen zu wählen ist.“ Wir erinnern uns: Beim 49-Euro-Ticket, das für immer mehr
Bevölkerungsgruppen wie in Bayern mittlerweile zum 29-Euro-Ticket mutiert, forderte der bdo eben jene allgemeine Vorgabe, um den neuen Ampel-Einheits-Tarif rechtssicher auszugestalten. Und dann der Höhepunkt der Analyse: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Leitlinien die Rechtsauffassung der EU-Kommission darlegen und damit die Mitgliedstaaten gut daran tun, dieser auch vor Ort bei der Ausgestaltung des ÖPNV zu entsprechen.“ Die Eigenwirtschaftlichkeit soll also zum deutschen Exportschlager in Europa werden? Das wäre sicher schön, fragt sich nur, ob das realistisch ist. Trotzdem gibt man sich zufrieden in Berlin: „Damit ist nunmehr klargestellt, dass auch die Kommission das vielseits behauptete und seitens des bdo in Frage gestellte uneingeschränkte Wahlrecht des Aufgabenträgers zwischen ÖDA und aV nicht anerkennt, sondern ein klares Stufenverhältnis zu Gunsten des milderen Eingriffs über eine aV erkennt.“ Milde Eingriffe des Staates sind meistens im Sinne der Privatwirtschaft – nicht zuletzt ein Mantra unseres Finanzministers und seiner Parteifreunde. Einen Wermutstropfen sieht der bdo dann aber doch: „Allerdings werfen auch diese Auslegungsleitlinien praktische Fragen vor allem an die Bedarfsprüfung durch die Aufgabenträger auf. Die Aufgabenträger müssen bei der Erstellung der Nahverkehrspläne und auch später im Vorfeld der Vorabbekanntmachung ausreichend prüfen, ob die Voraussetzungen für einen ÖDA erfüllt sind.“

Die Themen Elektrifizierung und Automatisierung werden die größere Rolle spielen

Und dann kommt der Verband zum Kern des Kerns des Problems: „Der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit wird in vielen Fällen bereits über die Vorgaben der Nahverkehrspläne, bzw. der Vorabbekanntmachungen ausgehöhlt. Dies dürfte den neuen Leitlinien der EU-Kommission entgegenstehen, so dass sich der bdo eine Verbesserung der Situation in Deutschland erhofft.“ Das klingt nach dem Bohren dicker Bretter, für das man den Berlinern von Herzen alles Gute wünscht. Ob die schöne deutsche Eigenwirtschaftlichkeit wirklich dauerhaft im eigenen oder gar anderen europäischen Ländern zu retten sein wird, hängt aber wohl weniger an regulativen Winkelzügen und Formulierungshilfen, sondern an knallharten wirtschaftlichen Gegebenheiten. Ohne eine weitere Elektrifizierung und Automatisierung des ÖPNV sind die vorgegebenen Ziele kaum zu erreichen. Und beides kostet sehr viel Geld, von den Fahrzeugen bis zur nicht vorhandenen Infrastruktur. Das alles wird nicht ohne massive staatliche Zuschüsse gehen, die meistens mit politischen Lenkungsmaßnahmen einhergehen. Denn wie heißt es so schön in der Präambel der besagten EU-VO 1370/2007? „Es bedarf entschlossener Maßnahmen, um das Verkehrsaufkommen verstärkt auf nachhaltige Verkehrsträger zu verlagern. Daher ist es besonders wichtig, dass ressourcenschonende und umweltfreundliche öffentliche Verkehrsdienste zur Verfügung stehen.“ Und: „Es ist Sache der Mitgliedsstaaten, zu ermitteln, worin der Mobilitätsbedarf ihrer Bürgerinnen und Bürger besteht und welche Unterstützung gegebenenfalls erforderlich ist.“ Selten hörte man so einfühlsame Worte aus Brüssel.