Glaubt man den Prognosen von Verkehrswissenschaftlern, so werden bei vielen Menschen die nun eingeübten Muster auch nach der Pandemie fortbestehen. Es wird nicht einfach werden, die verlorenen Kunden zurück zu gewinnen. Hinzu kommt der Trend zum Homeoffice. In ländlichen Regionen, wo viele private Busunternehmen beheimatet sind, sinken die Zahlen bereits seit vielen Jahren. Das sind keine optimalen Voraussetzungen, um Verkehre eigenwirtschaftlich zu betreiben.

Zwar haben Bund und Länder ÖPNV-Rettungsschirme aufgespannt, um die Verluste aus der Corona-Krise auszugleichen, aber damit lösen sich die Probleme der Branche nicht in Luft auf. Die Rahmenbedingungen im ÖPNV für private Unternehmen sind vielerorts miserabel und längst nicht mehr up to date. Es fehlen zeitgemäße Konzepte – insbesondere auch die finanzielle Ausstattung des ÖPNV betreffend. Gerade in der Fläche und in den Randgebieten ist das Know-how der privaten Unternehmen auch mit Blick auf bedarfsorientierte Verkehre unerlässlich. Warum kann die Politik also nicht auch die privaten Verkehrsunternehmen stärken und unterstützen, damit sie weiterhin verlässliche Verkehre anbieten können? Ein Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn, die im Busbereich jedes Jahr nachweislich erhebliche Verluste erwirtschaftet, verdrängt mithilfe von Steuergeldern private Unternehmen im Wettbewerb. Warum wird das geduldet und gefördert? Solange die Wettbewerbsbedingungen unfair bleiben, das Know-how der Privaten im ÖPNV außer Acht gelassen wird, der Mittelstand seine Stärken nicht mit einbringen darf in die Entscheidungsprozesse und das billigste Angebot in den Ausschreibungen das Rennen macht, wird man die ehrgeizigen Ziele für die Verkehrswende wohl kaum erreichen können. Ohne private Busunternehmen, keine Verkehrswende!

Fischle kann Linienbündel nicht weiterbetreiben

Ein Beispiel für die bereits beschriebene Situation von privaten Busunternehmen im ländlichen Raum ist das Unternehmen Fischle Regionalverkehr Stuttgart. Kleiner Exkurs: Das Unternehmen war vor Juli 2020 unter dem Namen Fischle & Schlienz Omnibusverkehr bekannt. Nachdem im vergangenen Jahr die Firma Schlienz Omnibusverkehr aus Wäldenbronn als Gesellschafter des Unternehmens Fischle & Schlienz Omnibusverkehr ausgeschieden ist, hat Fischle die Gesellschaftsanteile des gemeinsamen Unternehmens vollständig übernommen und es ab Anfang Juli 2020 in Fischle Regionalverkehr Stuttgart GmbH & Co. KG umbenannt.

Im Jahr 2019 hatte sich Fischle gegen zwei Mitbewerber bei der Neuvergabe der Linienbündel durchgesetzt und betreibt das Linienbündel 5 eigenwirtschaftlich im Auftrag des Landkreises Esslingen. Relativ schnell musste das Busunternehmen jedoch feststellen, dass die Kalkulation, die auf Basis von Fahrgastzahlen- und Einnahmenentwicklung in 2017 erstellt worden war, nicht aufging. „Die Entwicklung hat sich bei diesem Linienbündel genau umgekehrt“, erklärte Geschäftsführer Ralf Steinmetz auf meine Anfrage hin.

Die Fahrgastzahlen und die Einnahmen sind demnach nicht gestiegen, wie man es „moderat unterstellt“ habe, sondern entgegen der Prognosen gesunken. Hinzu kämen Lohnkostensteigerungen und höhere Benzinpreise, mit denen man zwar gerechnet habe, aber „da geht die Schere ganz schnell auseinander“, sagte Steinmetz. Folglich kann Fischle das Linienbündel 5 des Landkreises Esslingen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr bedienen. „Wir haben erhebliche Verluste eingefahren“, so Steinmetz weiter. Corona sei aber für den Rückgang der Fahrgastzahlen nicht verantwortlich. Das Problem habe sich bereits vor Corona abgezeichnet, erklärte Steinmetz. Zwar seien aufgrund der Pandemie viele Busse leer, aber diese speziellen Verluste würden durch den ÖPNV-Rettungsschirm ausgeglichen.

In der Regel kann man ja bei einer rechtskräftigen Liniengenehmigung nicht einfach aus dem Vertrag zurücktreten. In diesem Fall ist es möglich. Denn, als Fischle sich 2019 gegen zwei Mitbewerber durchgesetzt hatte, hatte einer von ihnen gegen den Ausgang des Vergabeverfahrens geklagt. Das Verfahren läuft noch immer. D.h. die Fahrgenehmigung ist nicht rechtskräftig, weshalb Fischle seitdem auf Basis von einstweiligen Erlaubnissen gefahren ist. Die Fahrgenehmigung wurde immer nur für ein halbes Jahr verlängert. Zur Jahresmitte hat das Unternehmen dann keine neue Genehmigung mehr beantragt.

Mit dem Auftraggeber habe sich Fischle geeinigt, auch finanziell, bis zum Jahresende die Verkehre weiterzubedienen. In der Zwischenzeit werde der Landkreis eine Notvergabe durchführen für eine Interimszeit von zwei Jahren, um dann ein reguläres Vergabeverfahren für einen neuen Acht- oder Zehnjahresvertrag einzuleiten. Steinmetz zufolge sei das Linienbündel aktuell dem Busunternehmen, das gegen den Ausgang des Vergabeverfahrens im Jahr 2019 geklagt hatte, angeboten worden. Doch da die Wirtschaftlichkeit des Linienbündels nicht gegeben sei, habe das Unternehmen abgelehnt, den Verkehr zu übernehmen.