Im modernen Best Western Hotel Steinsgarten in der Gießener Innenstadt trafen sich am 17. und 18. September die Paketer Behringer Touristik, Grimm Touristik Wetzlar, Service- Reisen Giessen und Tour Project mit Geschäftsführern von 12 Reisebüros zu einem Seminar. Der Inhalt dieses Seminars des Verbandes der Paketreiseveranstalter (VPR) war: Wie man mit eigenveranstalteten Gruppenreisen, in Kooperation mit den Paketern, Geld verdienen kann.
Hintergrund: Die Provisionen der Reisbüros werden kleiner. Internetbuchungen reduzieren den Umsatz. Die Paketer als Arzt am Krankenbett der Reisebüros. Wenig später, nachdem ein Bericht über dieses Seminar im Bus Blickpunkt erschienen war, sandte Odo Schmidt, Geschäftsführer des Busunternehmens Reisering Hamburg, eine Mail an zwei der vier Paketer, die in Gießen am Start waren. Er brachte darin zum Ausdruck, dass er über deren Veranstaltung mit den Reisebüros verärgert sei und schrieb: „Wir verzeichnen, wie alle Busreiseveranstalter, im Bereich Gruppen (Vereine, Verbände) in den letzten Jahren deutliche Rückgänge. Glücklicherweise registrieren wir parallel einen deutlichen Anstieg bei der Durchführung von Gruppenreisen für Reisebüros. Mit Veranstaltungen, wie der in Gießen, schneidet Ihr diesen Weg via Busunternehmen quasi ab.“ Odo Schmidt sagte auf Nachfrage, dass etwa 15 bis 20 Prozent seines Umsatzes mit kompletten Gruppenbuchungen durch Anfragen von Reisebüros an den Reisering realisiert würden. Dabei geht es nicht um Busanmietungen, sondern um die Buchung des kompletten Reisepakets, z.B. 30 Personen für 8 Tage in die Toskana inklusive Bus, beim Reisering Hamburg. Auch die Zahl der Vereinsreisen ist rückläufig.
Zum einen, weil die Vereinsmeierei in Deutschland heute nicht mehr das ist, was sie früher einmal war. In der 70-Plus- Generation gibt es noch manchen, der in fünf und mehr Vereinen Mitglied ist. Heute geht Otto Normalverbraucher ins Fitness-Studio und Schluss. Reiseveranstalter Mathias Hirsch aus Karlsruhe beunruhigt weniger, dass mit solchen Veranstaltungen die Wertschöpfungskette für die Busunternehmer bzw. Reiseveranstalter ausgehebelt wird, als vielmehr die Tatsache, dass die Qualität der Gruppenreise infolge fehlender Marktkenntnis bei den Reisebüros auf der Strecke bleibt: „Da ist der Unterschied zur Schwarztouristik nicht groß. Das Knowhow, das sich ein Reiseveranstalter über Jahrzehnte angeeignet hat, kann man nicht in drei oder vier Seminaren vermitteln.“ Busunternehmer haben Kompetenz bei der Organisation und Durchführung von Busreisen mit allem was dazugehört: von den Lenk- und Ruhezeiten über technische Standards für Reisebusse bis hin zum Reiserecht und Themen wie Sicherungsschein, Veranstalterhaftpflicht, Margenabrechnung.
Mark Ungerathen, Leiter Touristik bei Schlienz Reisen, sieht das ähnlich. Die Tendenz, dass sich Paketer immer häufiger direkt an Clubs und Vereine wenden, nehme zu. Bezogen auf die Reisebüros, fügt er hinzu: „Sicher kann ein Paketreiseveranstalter Hotelleistungen vermitteln. Doch wenn die Reisebüros selbst Reiseveranstalter werden, sind sie schnell überfordert. Es würde Sinn machen, den Busunternehmer mit ins Boot zu holen.“ Franz Gerstmayr, als Berater für Geldhauser Reisen in München tätig, lädt Reisebüros regelmäßig zu Informationsreisen ein. Er schult sie zum Thema Busreisen und erklärt das Geldhauser-Produkt. Es gibt auch Reisebüros, die komplette Reisen (meistens Bus mit Hotel und Programm) bei Geldhauser einkaufen. Sie bekommen das Package zum Nettopreis und können ihre Marge beim Weiterverkauf an einen Verein/Firma etc. selbst bestimmen. „Viele Paketer nutzen ja seit Jahren beim Direktvertrieb an Vereine, Verbände und an Reisebüros den Vorteil, den Gruppenkunden auch den Sicherungsschein für die Insolvenzversicherung mitliefern zu können“, so Gerstmayr.
Mein Rundruf bei einigen weiteren Busreiseveranstaltern ergab, dass vor allem größere Busunternehmen mit der Paketer- Offensive Reisebüros ihre Probleme haben. In der Regel arrangieren sich Reisebüros und Busunternehmer vor Ort durchaus: „Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt Omnibusunternehmer Günter Kunkelmann, Kofler-Reisen, aus Höchst / Hummetroth im Odenwald. Völlig klar, es ist Marktwirtschaft. Jeder darf jedem sein Produkt anbieten. Odo Schmidt bekundet in seiner eingangs erwähnten Mail an die Paketer dafür sogar Verständnis: „Ja, auch Ihr müsst zusehen, dass Ihr Euer Produkt an den Markt kriegt. Aber muss man dabei seine Hauptzielgruppe verärgern?“ Der VPR kündigte nach dem Seminar in Gießen weitere Schulungen von Reisebüros in anderen Regionen Deutschlands an.