Kann der Staat dafür haftbar gemacht werden? Darauf antwortet Busunternehmer Stefan Lyding mit einem klaren Ja! Weshalb er juristische Schritte eingeleitet hat. Schließlich mussten – und weiterhin müssen – Reisebusunternehmen durch das faktische Berufsverbot existenzbedrohende Einbußen hinnehmen.

Der Geschäftsführer von Lyst-Reisen im unterfränkischen Zellingen hat den Freistaat Bayern auf Schadenersatz verklagt und damit ein ziemlich großes Fass aufgemacht. „Wir mussten zugunsten aller zurückstecken“, beklagt Lyding. „Der Staat hat uns gezwungen, unsere berufliche Existenz zu riskieren“, erklärt er dem Bus Blickpunkt gegenüber. Lyding hat sein Unternehmen 1989 gegründet. Was mit einem Bus begann, ist zu einem Unternehmen mit derzeit 21 Reisebussen und 20 Linienbussen gewachsen. Die Reisebusse stehen seit Monaten still. Der Umsatz fehlt komplett. Die Kosten aber laufen weiter. Durch den Stillstand entstehen zudem Schäden an den Fahrzeugen. Noch immer sieht die Reisebusbranche kein Licht am Ende des Tunnels.
Im Spätsommer 2020 platzte ihm der Kragen und er beschloss, vor Gericht zu ziehen. Er wandte sich an die Würzburger Kanzlei Steinbock & Partner und verklagte einige Monate später den Freistaat Bayern auf eine Ausfall-Entschädigung in Höhe von 700.000 Euro. Die Summe setzt sich aus entgangenem Gewinn und zusätzlichen Schäden durch laufende Kosten zusammen, erklärte sein Rechtsanwalt Julian Pfeil auf meine Anfrage. Der Fall wurde im März diesen Jahres vor dem Landgericht Würzburg verhandelt. Am 30. März wies das Landgericht in der ersten Instanz die Ansprüche von Lyding ab. Nicht überraschend für Lyding und Pfeil, denn bei Fällen dieser Tragweite mit diesen Grundsatzfragen sei es in der Regel so, dass die Verfahren erst vor höheren Instanzen abgeschlossen würden. Selbst wenn der Fall zugunsten von Busunternehmer Lyding entschieden worden wäre, so hätte der Freistaat mit Sicherheit Berufung eingelegt. Andernfalls würde es Klagen von anderen Unternehmen hageln. Lyding klang jedenfalls sehr entschlossen am Telefon, er will in Berufung gehen und vor das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg ziehen. Doch mit einem positiven Abschluss dieses Falles rechnet Rechtsanwalt Julian Pfeil erst vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Auch das Landgericht Würzburg habe in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass es davon ausgehe, dass diese Grundsatzfrage letztendlich vor dem BGH landen werde, sagt Rechtsanwalt Pfeil.

Das Landgericht Würzburg begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem Infektionsschutzgesetz. Nun, darüber lässt sich streiten. Rechtsanwalt Pfeil verweist darauf, dass eventuelle Ansprüche aus dem Infektionsschutzgesetz nach einigen Stimmen in der Rechtswissenschaft nicht die einzigen Anspruchsgrundlagen seien. Denn die allgemeinen Regeln hielten auch für rechtmäßige Eingriffe des Staates in den Geschäftsbetrieb eine Entschädigungsregel bereit. Laut einer Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung könne man eventuell auch auf andere Grundlagen zurückgreifen, bei denen Busunternehmer sogar für einen grundsätzlich rechtmäßigen Eingriff Entschädigung erhalten könnten.

„Wir versuchen aktuell auf Basis von zahlreichen verschiedenen Anspruchsgrundlagen (darunter auch das Infektionsschutzgesetz) Entschädigungen für die Unternehmen zu erhalten“, berichtet Pfeil. Ob die Anspruchsgrundlagen neben dem Infektionsschutzgesetz greifen, sei vor den Gerichten aktuell umstritten. „Diese wären jedenfalls noch nicht verjährt, so dass auch hier die Hoffnung noch nicht aufgegeben werden sollte. Idealerweise sollte aber die Jahresfrist aus dem IfSG (Infektionsschutzgesetz) eingehalten werden, um sich diese Anspruchsgrundlage nicht unnötigerweise abzuschneiden“, rät der Würzburger Rechtsanwalt. Was meint er damit?

Schadensersatzansprüche
fristgerecht anmelden

Die Kanzlei Steinbock & Partner scheint sich mit komplizierten Fällen bestens auszukennen – Stichwort VW-Abgasaffäre. U.a. aus dieser Erfahrung heraus rät Rechtanwalt Julian Pfeil Busunternehmern, tätig zu werden und ihre Ansprüche auf Schadensersatz bei der zuständigen Behörde anzumelden. Denn für diese Ansprüche aus dem Infektionsschutzgesetz gelte es Fristen einzuhalten. Orientieren müsse man sich nach den Lockdownphasen. Demnach ist die Jahresfrist für den ersten Lockdown (ab 16. März 2020) bereits abgelaufen. D.h. der Anspruch auf Schadensersatz ist verjährt. Man könnte für den zweiten und dritten Lockdown innerhalb dieser Jahresfrist dann solche Ansprüche anmelden. Käme es in zwei bis drei Jahren tatsächlich zu einem positiven Urteil vor dem BGH, so könnten die Busunternehmen, die ihre Schadensersatzansprüche nicht fristgerecht eingereicht haben, möglicherweise leer ausgehen, mutmaßt Pfeil. „Als Geschädigter sollte man sich um sein eigenes Glück kümmern“, empfiehlt der Rechtsanwalt.