Die Fronten haben sich zuletzt sogar noch verhärtet, nachdem die Vergabekammer Baden-Württemberg den Ausschluss von Müller-Reisen aus dem Notvergabeverfahren als rechtswidrig und die Verträge mit den Busunternehmen Richard Eberhardt GmbH und Regionalbusverkehr Südwest GmbH (RVS) als unwirksam erklärt hatte. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer legten die drei Aufgabenträger sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein. Auf das Urteil des OLG darf man gespannt sein.

Wie kam es zu diesem Streit? Alles begann damit, dass Müller-Reisen im Jahr 2017 einen Antrag auf eigenwirtschaftliche Erbringung der Verkehre im westlichen Enzkreis stellte. Diese Linien wurden zuvor von mehreren Unternehmen bedient, darunter Eberhardt, die Bahntochter RVS und Müller-Reisen. Einen Teil dieser Linien im westlichen Enzkreis hatte vor über 90 Jahren der Urgroßvater von der heutigen Geschäftsführerin Viktoria Müller aufgebaut. Sie führt den Familienbetrieb gemeinsam mit ihrem Vater Hartin Müller. Doch als es hieß, die Linien sollen gebündelt EU-weit ausgeschrieben werden, kamen die Müllers mit ihrem eigenwirtschaftlichen Antrag diesem Vorhaben zuvor. Das war ein Paukenschlag. Das hatte keiner kommen sehen. „Damit haben wir scheinbar in ein Wespennest gestochen“, sagt Viktoria Müller mit Blick auf die zurückliegenden sowie aktuellen Ereignisse. Sie mutmaßt: „Eigentlich stand für die Aufgabenträger schon fest, wer diese Linien bekommen sollte, das war längst aufgeteilt und beschlossene Sache.“

Nachdem der eigenwirtschaftliche Antrag von Müller-Reisen im Vorfeld von den Aufgabenträgern (Enzkreis, Kreis Calw Stadt Pforzheim) geprüft worden war, bekam das Busunternehmen das Go für die Buslinien. Zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe musste Müller-Reisen viele Parameter schätzen. Die Kalkulation ging am Ende nicht auf, „weil sich viele Parameter zu unserem Nachteil entwickelt haben“, erklärt Viktoria Müller. „Es wurden sehr viele Fehler seitens der Aufgabenträger gemacht“, beteuert sie. Der Einnahmeaufteilungsvertrag basiere immer noch auf Daten aus dem Jahr 2014 und sei längst überholt. Dieser hätte modifiziert und angepasst werden müssen. „Seitdem gab es viele, signifikante Veränderungen“, argumentiert Müller. So seien bei der Kalkulation ausschlaggebende Parameter nicht berücksichtigt worden. „Das hat zu unserem finanziellen Dilemma geführt“, sagt sie verärgert. Um eine Insolvenz abzuwenden, habe sich das Unternehmen nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, Anfang Februar beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe einen Antrag auf Entbindung von Konzessionslinien zu stellen.
Daraufhin kam es zu einer Notvergabe der Müller-Linien. Diese wurden für die Dauer von zwei Jahren an Eberhardt und die RVS vergeben. Müller-Reisen wurde erst gar nicht gefragt, obwohl das Unternehmen in zuvor geführten Gesprächen mit den Aufgabenträgern sein Interesse bekundet und diesbezüglich auch ein positives Signal erhalten habe. Auf Nachfrage habe man Müller-Reisen als Begründung für den Ausschluss aus dem Vergabeverfahren mitgeteilt, dass es vergaberechtlich nicht darstellbar gewesen sei. Für Müller-Reisen absolut nicht hinnehmbar. Also ließ sich das Unternehmen juristisch beraten. Einen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer Baden-Württemberg zu stellen, war der erste logische Schritt in dieser Streitsache. Mit Erfolg. Die Vergabekammer hat Müller-Reisen Recht gegeben. Die Kammer hat festgestellt, dass es Mängel in der Vergabedokumentation gab, „was einen Verstoß gegen das Transparenzgebot“ darstelle. Des Weiteren habe es Verstöße gegen den Geheimwettbewerb, bei der Auswahl der Bieter sowie der Bemessung der Laufzeit der Verträge gegeben. In der Vergabekette finde sich weder eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten an Eberhardt und RVS, noch die tatsächlichen Angebote, noch Protokolle oder Dokumentationen über Verhandlungen mit ihnen, heißt es im Beschluss der Vergabekammer. Die Kammer kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass der Ausschlussgrund von Müller-Reisen aus dem Vergabeverfahren, wonach das Unternehmen angeblich den eigenwirtschaftlichen Verkehr nur mangelhaft erfüllt haben soll, nachträglich konstruiert worden sei und erklärt es für rechtswidrig: „Der unrechtmäßige Ausschluss der Antragstellerin bringt sie um ihre Zuschlagschance und führt damit zu einem Schaden“, urteilt die Vergabekammer. Weiterhin heißt es im Beschluss: „Nach alledem ist der Nachprüfungsantrag begründet. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten verletzt, wodurch ihr aufgrund der entgangenen Zuschlagschance ein Schaden entstanden ist. Die mit den Beigeladenen (Anm. Red.: Eberhardt und RVS) geschlossenen Verträge sind unwirksam.“

Nur eine Woche vor dem Beschluss der Vergabekammer am 06. August habe sich der gegnerische Anwalt, der die Stadt und die Kreise vertritt, von Müller-Reisen ein schriftliches Angebot zukommen lassen. Bei diesem Angebot habe es sich um die Übernahme zweier Umläufe auf den Linien im westlichen Enzkreis gehandelt: zwei Omnibusse, 365.000 Jahreskilometerleistung. Da die Müllers sich mit ihren ehemaligen Linien und allem Drum und Dran gut auskennen, kam ihnen die Angabe zu den Jahreskilometerleistungen zu hoch vor. Sie rechneten nach. Und siehe da, wieder einmal haben sich die Aufgabenträger angeblich verrechnet. Viktoria und Hartin Müller kamen auf 140.000 Kilometer. Darauf hingewiesen, war von der gegnerischen Seite nicht viel mehr zu hören als: „Ups, da haben wir uns wohl verrechnet.“ Dazu kann man nur sagen: Setzen, sechs! Entweder kann man bei den zuständigen Behörden nicht rechnen oder aber man erlaubt sich einen bösen Scherz auf Kosten eines traditionsreichen Busunternehmens, das um seine Existenz kämpft.