Im Juni war es wieder soweit. Anzugträger kamen in Jeans, Shirt und Turnschuhen. Auf dem Grill brutzelten Würste und Steaks. Kartoffelsalat und Maultaschen standen als Beilagen auf dem Büfett. Maultaschen? Völlig klar, es geht um ein Ereignis im Schwäbischen. Und wenn es dann noch heißt, der Konrad habe wie immer zwei Getränkemarken spendiert, dann dürften auch Branchenneulinge ahnen, dass dieses Ereignis etwas mit dem Bushersteller
Neoplan zu tun hat.

Treffpunkt war das Neotel in Möhringen

Bereits zum 6. Mal infolge trafen sich am 13. Juni 2015 ehemalige Mitarbeiter des Stuttgarter Busherstellers Neoplan zu ihrem Familientreffen unweit von ihrer einstigen Arbeitsstätte in Möhringen im Innenhof des Neotels. Hier übernachteten früher die Kunden des schwäbischen Busbauers. Im Jahr 2.000 wurde Neoplan an MAN verkauft, 2007 das Firmengebäude gesprengt. Es soll Mitarbeiter gegeben haben, die das mit der Video-Kamera aufgenommen haben. Es schmerzte. Dennoch, in diesem Haus hat ein Geist gewohnt, dem die Sprengung nichts anhaben konnte. Er hat sie unbeschadet überstanden. Ihm sitzt der Virus der Grüppchenbildung inne. Wenn irgendwo Neoplaner sich nähern, zum Beispiel auf Messen, dann riechen sie einander, dann sitzen sie schnell beisammen. Mit „Weißt Du noch“ fangen die Geschichten an, die man sich erzählt. Besonders gern handeln sie von Firmengründer Gottlob Auwärter, von dem gesagt wird, dass er drei Worte in seinem Unternehmen nie zu hören wünschte: Urlaub, Krankheit und Gehaltserhöhung. Oder von seinem Sohn Albrecht, der das Unternehmen zur Blüte führte. Morgens und abends sei er zur Stempeluhr gegangen, wie alle Mitarbeiter. Seiner Belegschaft versprach er: Wer ein Leben lang bei Neoplan schafft, der kann sich ein Haus bauen. „Wir hatten Chefs, die zugehört haben. Wir hatten Chefs, die angenommen haben“, sagt eine Mitarbeiterin. Fotos und Videoaufnahmen erinnern an diesem Nachmittag an Vergangenes. Sonja Prassas und Rosi Nieft, zwei ehemalige Mitarbeiterinnen, waren es, die 2010 die Initiative zu diesem Treffen ergriffen. Zum ersten Treffen kamen 50 Neoplaner, in diesem Jahr 120. Viele bekannte Gesichter waren dabei. Axel Stokinger (Evobus), Alexander Dockenwadel (Evobus), Frank Koschatzky (Scania) und Günter Maier (VDL). Die Familie Auwärter mit Konrad, Else (Finanzchefin!) und Annelie (Witwe von Albrecht Auwärter) war dabei, Konrads Söhne Bernd (MAN) und Thomas kamen. Bob Lee, Chefkonstrukteur und ehemals Geschäftsführer des Unternehmens, begrüßte die Neoplaner. Seine legendäre, 400 Seiten starke, gemeinsam mit Albrecht Auwärter verfasste Diplomarbeit über den Bustyp Hamburg (ins Dach gerundete Scheiben, Düsenbelüftung) ist im Auwärter-Museum im Keller des Neotels ausgestellt. Mit dem „Hamburg“ begann die Geschichte des neuen Plans, des Neoplans, und die Wandlung der kleinen Busschmiede Auwärter in ein weltweit agierendes Unternehmen. Einstige Neoplan-Manager waren von überall her angereist. Karl-Heinz Schöllhammer, ehemals Präsident von Neoplan USA, kam aus England, Christian Flecksteiner, als Frontmann für die Vans von Mercedes-Benz weltweit im Einsatz, war dabei. Karl-Heinz David, kurz vor dem Treffen auf Visite in Möhringen, berichtete, dass in China jährlich 6.500 Transliner in Lizenz gefertigt werden. Oder die Solaris-Busse in Polen. Neoplan Know-how zog dort via Krzysztof Olszewski ein. In einem Interview erzählte er mir einmal von einer prägenden Begegnung mit Albrecht Auwärter.

Olszewski am Mittagstisch bei Albrecht Auwärter

Da Olszewskis Familie Anfang der 80er Jahre noch in Polen lebte, kam es vor, dass er auch am Wochenende im Werk in Möhringen manche Stunde verbrachte. Dabei überraschte ihn Albrecht Auwärter und fragte, was er denn hier mache. Der Neu-Neoplaner Olszewski gab die schönste Antwort, die man in Schwaben geben kann: „Schaffen!“. Das kam so gut an, dass er am drauffolgen Sonntag sogar zum Mittagstisch bei den Auwärters eingeladen wurde. Die Gespräche im Neotel drehten sich immer wieder um den Geist, den Spirit von Neoplan, den Stolz, Neoplaner gewesen zu sein. Neoplan war der David unter den Goliaths der Busbranche, der Underdog, der es mit dem raffinierteren, schnelleren Schlag, mit der präzisen Idee dem scheinbar überlegenen Wettbewerber im Ring zeigen wollte. Und immer dann, wenn so ein Sieg gelang, ein Cityliner Premiere hatte, ein MIC „Bus des Jahres“ wurde, ein Megaliner getauft wurde, ein Starliner im Rampenlicht der Branche strahlte wurde gefeiert, bis die Heide wackelte und das letzte Glas Trollinger geleert war. Jeder hatte das Gefühl. „Ich bin dabei gewesen, Ingenieur und Meister, Chef und Sekretärin, Verkäufer und Kunde. Das ist mein Erfolg.“ Gegen 22.00 Uhr, als es dunkelte, ging der Abend allmählich zu Ende, der harte Kern verblieb im Auwärter Museum. Im nächsten Jahr gibt es das 7. Neoplaner Treffen. Vielleicht sind dann auch wieder die dabei, die in diesem Jahr nicht konnten, der Heinz und der Hans, der Paul und die Susanne oder wer auch immer.