Eine Branche, eine Stimme! Das gab es noch nie. Im Kampf gegen die Ungleichbehandlung der Reisebusbranche und des Mittelstands gegenüber Lufthansa, Deutsche Bahn & Co. hat sich das mittelständisch geprägte Busgewerbe endlich aufgerafft und ist in Berlin, Düsseldorf, Kiel, Mainz, Stuttgart, Wiesbaden und Dresden geschlossen gegenüber der Politik aufgetreten. Eindrucksvoll und fordernd. Öffentlichkeits- und medienwirksam.

Rund 800 Reisebusse rollten am 27. Mai durch die sieben Städte. Teilweise saßen die Busunternehmer selbst am Steuer der Busse, die als Korsos hupend durch die Städte fuhren und erneut auf die unverschuldet existenzgefährdende wirtschaftliche Lage der Branche aufmerksam machten. Denn der Reisebusverkehr wurde in Folge der Corona-Pandemie komplett stillgelegt. Was heißt das konkret: Nach Berechnungen des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) kostet der staatlich verordnete Stillstand der Reisebusse täglich 2,3 Millionen Euro! Von der Bustouristik hängen rund 240.000 Arbeitsplätze ab. Sie erwirtschaftet jährlich einen Bruttoumsatz von rund 14,3 Milliarden Euro. Und das lässt die Politik nicht aufhorchen?! Scheinbar wird diese Branche völlig unterschätzt und nicht als großer und mächtiger Wirtschaftszweig betrachtet. Jürgen Fredrich Vorsitzender des Fachverband Omnibusverkehr Hessen (FOH), bringt’s auf den Punkt: „Nachdem Bundes- und Landesregierungen für die Zukunftssicherung wichtiger Fluglinien Milliardenbeträge locker gemacht haben, müssen sie nun endlich auch die dramatische Lage der Busbranche in Deutschland zur Kenntnis nehmen und handeln.“

Die Verbände BDO, RDA und GBK fordern mit Nachdruck schnelle Überbrückungshilfen in Form von Zuschüssen zu laufenden Fixkosten in den Betrieben, nach bundesweit einheitlichen Regelungen für Busreisen sowie nach einer dauerhaften Reduzierung der Umsatzsteuer für Busreisen im Rahmen des kommenden Konjunkturpakets.

Konjunkturpaket macht Hoffnung

Anfang Juni will die Bundesregierung ein milliardenschweres Konjunkturpaket schnüren, um die von der Coronavirus-Krise gebeutelte Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. In diesem Rahmen wird wohl auch ein Hilfspaket in Höhe von 25 Mrd. Euro für den Mittelstand erarbeitet. Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie Mittelstandsbeauftragter, der auch beim Aktionstag in Berlin kurz in Erscheinung trat, wich den Fragen der Verbandsvertreter sowie Fachjournalisten zu der Höhe der Hilfssumme für die Bustouristik aus. Er machte keine konkreten Angaben darüber, welchen Anteil am Kuchen die Bustouristik bekommen wird. Stichtag wird wohl der 02. Juni sein.

Ohne passgenaue staatliche Soforthilfen droht eine ganze Branche unterzugehen. Am Rande der Bus-Demo in Berlin war beispielsweise zu hören, dass in der Busbranche bereits die ersten Suizidfälle bekannt geworden seien sollen. Demnach handele es sich um verzweifelte Busunternehmer, die in dieser Krise weder ein noch aus wüssten. Das zeigt einmal mehr, wie ernst die Lage ist. „Diese Branche leidet, sie ist am Sterben“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes des Verkehrsgewerbes Rheinhessen-Pfalz (VVRP), Bernhard Dürk.

Die Politik versteht nach wie vor nicht, wie die Bustouristik funktioniert. „Es ist bei uns nicht wie bei einem Bäcker, der bäckst und seinen Laden vier Stunden später aufmachen kann. Wir brauchen einen Vorlauf von etwa einem Vierteljahr“, veranschaulichte beispielsweise der Plauener Busunternehmer Thomas Kaden (Kaden-Reisen) in einem Gespräch gegenüber dem Nachrichtenportal „bz-berlin.de“. Und das ist den meisten Politikern nicht bewusst. Viele Reisebusunternehmen müssen Jahr für Jahr in erhebliche finanzielle Vorleistung in Millionenhöhe gehen, um die Reisen für den nächsten Saisonbeginn vorzubereiten: Kataloge werden erstellt, Zimmerkontingente in Hotels gebucht und Karten für kulturelle Ereignisse und Flusskreuzfahrten etc. gezahlt.

Reisebus ist Klimaschützer Nr. 1

Die Regierung betont abermals, dass sie in den Klimaschutz investieren und diesen fördern will. Der Reisebus ist erwiesenermaßen Klimaschützer Nr. 1 – sagt das Umweltbundesamt (UBA) auch in 2020 wieder. Im Januar wurden neue Werte zu den durchschnittlichen Emissionen der Verkehrsmittel im Personenverkehr Deutschlands veröffentlicht. Dabei verbesserte sich der Reisebus und bleibt mit 31 Gramm Treibhausgasemissionen pro Personenkilometer (g/Pkm) in Sachen Klimaschutz auf Platz 1. Wo liegt das Problem? Langsam aber sicher müssten den Politikern die Ausreden ausgehen. Wolf-Rüdiger Ebke, Ebke-Reisen, formulierte es so: „Wer die systemrelevante Infrastruktur im Busverkehr sichern und künftig zudem mehr für den Klimaschutz tun will, muss jetzt mithelfen, die Branche zu retten.“

Im Anschluss an den Aktionstag zur Rettung der Busunternehmen in Berlin fand eine Sitzung des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages statt. Als Sachverständiger und Vertreter der Bus- und Gruppentouristik wurde RDA-Präsident Benedikt Esser angehört. Esser verdeutlichte den anwesenden Mitgliedern des Deutschen Bundestages die bitterernste Notstandslage der Busunternehmen und der gesamten Bus- und Gruppentouristik. Er verwies in seinen Eingangsworten auf die bundesweiten Busdemonstrationen als sichtbaren Beleg für die großen Existenzängste der überwiegend traditionellen Familienbetriebe.

„Gestern haben wir uns gemeinsam aufgebäumt, wir haben Druck gemacht, wir waren laut! Das war ein guter Tag! Dafür danken wir besonders unseren Mitgliedern aber ausdrücklich auch allen verbandlich ungebundenen Busunternehmen, die mit hunderten von Reisebussen gemeinschaftlich ein ganz überwältigendes politisches Engagement gezeigt haben. Unser Dank geht auch an den BDO und die GBK, mit denen wir in bester verbandlicher Kooperation diesen Aktionstag organsiert haben“, teilte Benedikt Esser am Folgetag mit.

Erste Reaktionen aus der Politik

Politiker äußerten sich am 27. Mai solidarisch.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) etwa sprach sich am Rande der Proteste in Dresden für einen bundesweiten Neustart des Bundesreiseverkehrs aus. Durch die Corona-Krise seien Busunternehmer in großer Not, sagte er.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart sprach zu den rund 250 Busunternehmern, die sich auf der Landtagswiese in Düsseldorf versammelt hatten. Pinkwart hob die enormen Leistungen der Busunternehmen für die Gesellschaft hervor, die beispielsweise für Schülerverkehre und ÖPNV unverzichtbar seien. Er stellte sowohl auf bundes- als auch ergänzend auf Landesebene weitere finanzielle Unterstützung in Aussicht und versprach, sich in Bezug auf die Bustouristik für eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent einzusetzen. Der Wirtschaftsminister unterstrich die Notwendigkeit einer möglichst zeitnahen und auf breiter Ebene abgestimmten Wiederaufnahme der Bustouristik. Auch MdL Henning Rehbaum, Wirtschaftssprecher der CDU-Landtagsfraktion wandte sich mit einem Mut machenden Statement an die Teilnehmer der Kundgebung.

Die SPD-Fraktion forderte vom Land Hessen, den Busunternehmen die Stornokosten, die infolge der Absage von Klassenfahrten fällig geworden seien, zu erstatten. So könne diesen „Liquidität zur Verfügung gestellt werden“, sagte der wirtschafts- und verkehrspolitische Sprecher Tobias Eckert.

In Rheinland-Pfalz betonte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Landesregierung habe die Branche im Blick. Sie sei länger und stärker von Einschränkungen getroffen als andere. Weitere Kreditangebote würden nicht mehr helfen, es werde weitere Hilfe durch das angekündigte Bundesprogramm kommen. Er wolle sich dafür einsetzen, dass es eine kräftige Hilfe werde. Der angepeilte 24. Juni für den Neustart der Branche sei als spätester Termin zu verstehen, sagte Wissing.