Zum Schutz vor der Übertragung von Infektionen mit dem Coronavirus hatte Bayern wie auch andere Bundesländer im April 2020 das Tragen von so genannten „Mund-Nase-Bedeckungen“ in der Öffentlichkeit beschlossen. Mit der immer weitergehenden Entspannung wurde diese Pflicht immer weiter zurückgenommen, bis sie als letzte Bastion immer noch in Bus und Bahn verblieben ist.
Unterdessen haben die Gesundheitsminister und -ministerinnen der Länder am Montagabend vorerst keine neue Linie für weitere Änderungen an den Corona-Schutzvorgaben beschlossen, das bayrische Vorgehen kann also als eine direkte Reaktion hieraus gesehen werden. Die Ressortchefs hätten sich laut dpa ausgetauscht, aber es gebe „kein einheitliches Vorgehen etwa zur Maskenpflicht in Bus und Bahn“, sagte eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Sozialministeriums am Montagabend nach den Beratungen. Die meisten Länder wollten die Maskenpflicht im ÖPNV bis Jahresende verlängern, einige darüber hinaus. Für Fernzüge ist die Maskenpflicht bis 7. April 2023 bundesweit gesetzlich festgeschrieben.
Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) begrüßte das Aus für die Maskenpflicht im ÖPNV. «Es gibt weder aus dem Ausland, wo seit Monaten keine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen mehr herrscht, noch aufgrund uns bekannter wissenschaftlicher Studien Erkenntnisse, dass die Infektionszahlen außergewöhnlich steigen, wenn im ÖPNV keine Maske mehr getragen wird», sagte Sprecher Lars Wagner. Ähnlich äußerte sich Martin Burkert, Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). «Keiner kann mehr nachvollziehen, warum in den Fernverkehrszügen noch Maskenpflicht herrscht», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Lauterbach und Wieler weiter für Maskenpflicht
In der Beratung hätten sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, für die Beibehaltung der Isolationsregeln und der Maskenpflicht ausgesprochen, sagte die Sprecherin weiter. Sie erwarteten eine steigende Zahl von Neuinfektionen und hätten auf die hohe Sterblichkeit vor allem bei älteren Menschen hingewiesen. Das RKI sehe keinen Grund, die bisherigen Empfehlungen zur Isolation zu ändern. Mittlerweile haben Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz die Isolationspflicht von mindestens fünf Tagen für positiv Getestete aufgehoben, die das RKI nach wie vor empfiehlt.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher lehnt eine Aufhebung der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr nach dem Vorbild Bayerns und Sachsen-Anhalts ebenfalls kategorisch ab. Die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern steige, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Aktuell werden in Brandenburg 610 Personen mit einer bestätigten Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt, vor zwei Wochen waren es 454», sagte sie. «Angesichts dieser Situation gibt es aktuell keine Argumente dafür, die wenigen noch verbliebenen Corona-Schutzmaßnahmen jetzt abzuschaffen.» Zudem sei man derzeit mitten in einer Infektionswelle, warnte Nonnemacher. «Neben Corona sind Grippe und RS-Virus heftig unterwegs. Die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung steigt spürbar.« In dieser Situation sei es wichtig, besonders Menschen mit einem hohen Risiko zu schützen. Dazu zählten ältere Menschen, die oft auf den Nahverkehr angewiesen seien. Angesichts der Infektionswelle mit dem RS-Virus, das besonders Säuglinge und Kinder treffe, rief Nonnemacher die Bürger zudem dazu auf, freiwillig in allen öffentlich zugänglichen Räumen Masken zu tragen.
Auch Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) schaltete sich in die zunehmende Diskussion ein und widerspricht dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Er fordert ein Ende der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen. Im Südwesten "reiche eine Maskenempfehlung insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen in Bussen und Bahnen aus", sagte Nopper am Dienstag laut dpa. Kurz zuvor hatte Kretschmann angekündigt, der Südwesten bleibe trotz des Verzichts mehrerer Bundesländer auf die Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr bei der Vorgabe für Bus- und Bahnfahrende.
Nach Angaben Noppers, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) ist, fällt es den Nahverkehrsunternehmen immer schwerer, die Maskenpflicht durchzusetzen. «Es ist nicht nachvollziehbar, warum in Bussen und Bahnen weiterhin eine Maskenpflicht bestehen soll, während etwa im engsten Gedränge auf Weihnachtsmärkten, im Einzelhandel, in Fußballstadien, in Verkehrsflugzeugen die Maskenpflicht längst entfallen ist», sagte Nopper laut dpa.
Schleswig-Holstein entscheidet nächste Woche
Schleswig-Holstein will wie angekündigt in der nächsten Woche über ein Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn entscheiden. Den Zeitplan bekräftigte eine Regierungssprecherin am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Zunächst berate die Landesregierung ein weiteres Mal mit Experten, dann folge die Entscheidung.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte vor drei Wochen das Ziel verkündet, die bis Jahresende befristete Maskenpflicht in Bus und Bahn nicht zu verlängern. Er wolle dafür im Gespräch mit den anderen Ländern möglichst eine einheitliche Regelung erreichen. Am 17. November war im Norden die generelle Isolationspflicht für positiv auf Corona getestete Personen entfallen. Das Land hatte sich mit Bayern, Baden-Württemberg und Hessen auf diesen weiteren Schritt in Richtung Normalität geeinigt.
Angesichts der Notlage in der Kindermedizin wegen einer Welle an Atemwegsinfekten warnt allerdings der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte vor gravierenden Risiken. «Es ist tatsächlich so, dass im Moment die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und auch das Leben ordentlich gefährdet sind», sagte Verbandssprecher Jakob Maske am Montag im Deutschlandfunk. Um Infektionen einzudämmen, riefen Gesundheitspolitiker dazu auf, aus Solidarität bei Bedarf auch Maske zu tragen. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern fanden keinen einheitlichen Kurs für die Corona-Vorgaben wie die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sowie die Isolationspflicht für Infizierte. Der Flickenteppich in Sachen Corona bleibt uns also vorerst weiter erhalten.
Dieser Artikel wird laufend aktualisiert. Letzte Aktualisierung erfolgte am 6. Dezember um 17:20 Uhr.