Der Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) Horst Schilling hatte vergangene Woche unter Bezugnahme auf die ARD-Sendung Plusminus in einer Pressemitteilung EU-weite Ausschreibungen kritisiert, auf die daraus resultierenden Missstände hingewiesen und Direktvergaben an Private gefordert.

Kurz darauf meldeten sich sowohl der Geschäftsführer des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) als auch des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV) zu Wort und werfen Horst Schilling eine „sehr einseitige Bertachtungsweise“ vor.

In der ARD-Sendung Plusminus „Öffentliche Ausschreibungen – Wenn billig nicht gut ist“, die Ende September ausgestrahlt wurde, wurde die aktuelle Vergabepraxis von Busleistungen im ÖPNV und deren negative Folgen beleuchtet (https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/hr/ausschreibungen-100.html.) „Der Fernsehbeitrag von Plusminus beschreibt die negativen Folgen europaweiter Ausschreibungen von Busverkehrsleistungen für Fahrgäste, Fahrpersonal und ortsansässige mittelständische Unternehmen an mehreren Beispielen. Die aufgezeigten Verschlechterungen bei der Bedienungsqualität nach einem Betreiberwechsel gibt es auch in Bayern. Viabus gewann eine Ausschreibung im Landkreis Aschaffenburg, wo die gleichen Probleme wie in Hessen aufgetreten sind. Eltern und Fahrgäste gingen wie in Hanau auch im bayerischen Untermain auf die Barrikaden“, teilte der LBO mit. Der Verband fordert, dass Aufgabenträger die nach dem EU-Recht zur Verfügung stehenden Instrumente der Direktvergaben auch für private Unternehmen einsetzen, „um in Zukunft einen guten und funktionierenden ÖPNV sicherzustellen“.

Aus Sicht der 1.100 privaten Busunternehmer in Bayern könne nicht nachvollzogen werden, warum die Qualität im Nahverkehr und zuverlässige Familienunternehmen und deren Personal ohne Not geopfert würden. Der europäische Gesetzgeber lasse für Verkehrsleistungen bewusst auch Direktvergaben für private Anbieter von Verkehrsleistungen bis zu einem jährlichen Auftragswert von zwei Millionen Euro zu. Hiervon mache auch einige bayerische Kommunen Gebrauch. „Leider jedoch werden diese gesetzlich möglichen Alternativen nicht überall angewandt oder in Frage gestellt“, bemängelt der LBO.

Bernd Rosenbusch: „Eine sehr einseitige Bertachtungsweise“

MVV-Geschäftsführers Bernd Rosenbusch wirft LBO-Geschäftsführer Horst Schilling „eine sehr einseitige Betrachtungsweise“ vor. Rosenbusch ist der Ansicht, dass Schilling unter Bezugnahme auf die ARD-Sendung Plusminus anhand eines einzelnen Beispiels den Eindruck erwecke, dass der Ausschreibungswettbewerb in Bayern zu katastrophalen Verhältnissen im ÖPNV führe, erklärte er. Dies sei.

„Dabei sind Ausschreibungen im ÖPNV das Beste, was Kunden und Steuerzahlern passieren kann. Mehr Angebot, mehr Qualität und das zu geringeren Kosten“, antwortet Rosenbusch auf die Forderung des LBO, Busverkehrsleistungen im ÖPNV direkt an private Busunternehmen zu vergeben. „Es ist der heimische Mittelstand, der unsere Ausschreibungen gewinnt. Wettbewerb – richtig gestaltet – ist nicht nur Mittelstandsschutz, sondern aktive Mittelstandsförderung. Innerhalb der Ausschreibungen wird die Einhaltung des Tarifvertrages gefordert – aber wir betonen schon lange, dass der den Löhnen zugrunde liegende LBO-Tarifvertrag neugestaltet werden muss: neuer, moderner und vor allem leistungsgerechter“, ergänzt AVV-Geschäftsführer Olaf von Hoerschelmann.

Der MVV und der AVV rechneten zudem vor, dass die privaten Busunternehmer im MVV ihren Marktanteil seit 1996 von knapp 43 Prozent auf heute knapp 70 Prozent gesteigert hätten. Ihre Betriebsleistung stieg demnach im selben Zeitraum von 7,2 Millionen Nutzwagenkilometer auf aktuell 30 Millionen Nutzwagenkilometer pro Jahr. Damit würden die heute 26 privaten Verkehrsunternehmen im MVV mittlerweile mehr als viermal so viel Leistung wie noch im Jahr 1996 erbringen.

Dasselbe Bild zeige sich im AVV: Die 9,68 Millionen Nutzwagenkilometer würden im Moment von insgesamt 24 Partnern bedient. Seit Beginn der Ausschreibungen hätten demnach die regionalen, kleinen und mittelständischen Verkehrsunternehmer ihren Marktanteil von 34,69 Prozent (2015) auf heute 57,59 Prozent (2018) steigern können und die Fahrleistung damit gegenüber 2015 fast verdoppeln. Die DB Regio Bus Bayern – einziger Konzern im AVV, aber mit eigenem Betriebshof im Verbundgebiet – bediene dagegen nur 13 Prozent der Gesamtleistung, so der AVV. Gerade die moderaten Losgrößen bei den Ausschreibungen in den Verbünden mache es den Verkehrsunternehmen möglich, im Markt zu bestehen und weiter zu expandieren.