Nach anderen Großstädten muss auch Berlin ein Diesel-Fahrverbot einführen. Für betroffene Autofahrer sollen in der Hauptstadt ab Mitte 2019 mehrere stark befahrene Straßen gesperrt werden.

Auf mindestens elf Abschnitten müsse bis Ende Juni ein Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge erlassen werden, entschied das Verwaltungsgericht am Dienstag (09. Oktober 2018).

Damit soll erreicht werden, dass nicht mehr so viel gesundheitsschädliches Stickoxid in der Luft ist und Grenzwerte eingehalten werden.

Das Gericht verpflichtete Berlin auf den Straßenabschnitten zu Fahrverboten für Dieselautos und Diesel-Lkw mit den Abgasnormen Euro 1 bis 5. In der Hauptstadt waren zum Jahresanfang allein mehr als 200 000 Pkw zugelassen, die darunter fallen. Hinzu kommen größere Fahrzeuge sowie Autos von Besuchern und Pendlern.

Die zuständige Kammer hält es für zwingend, Abschnitte auf wichtigen Verkehrsachsen zu sperren. Darunter ist die Leipziger Straße in Berlin-Mitte, die in Richtung Potsdamer Platz führt, daneben die Friedrichstraße im Herzen der Hauptstadt. Auf der Liste steht unter anderem auch die Reinhardtstraße in der Nähe des Regierungsviertels.

Für weitere Strecken mit einer Gesamtlänge von 15 Kilometern und insgesamt 117 Straßenabschnitten muss das Land Berlin außerdem Fahrverbote prüfen. Berlin muss laut Gericht bis Ende März 2019 einen neuen Luftreinhalteplan beschließen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az.: VG 10 K 207.16). Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) will in den nächsten Wochen prüfen, ob ihr Haus Berufung dagegen einlegt. Ein solcher Schritt könnte Fahrverbote verzögern.

Die Fahrverbote will Günther aber umsetzen. „Wir müssen im Luftreinhalteplan dann genau spezifizieren: Welche Straßen, welche Autos trifft es?“, sagte sie. Ausnahmen etwa für Taxis, Firmenwagen und andere Fahrzeuge müssten ebenfalls erwogen werden. Um weitere Fahrverbote abzuwenden, werde man auch die Einführung weiterer Tempo-30-Zonen und Parkzonen mit Bezahlung erwägen.

In Berlin ist - wie in vielen anderen deutschen Städten - die Luft zu stark mit Schadstoffen belastet. An vielen Stellen wird der Grenzwert für gefährliches Stickstoffdioxid (NO2) überschritten. Der Stoff kann unter anderem Atemwege und Augen reizen, die Lungenfunktion stören oder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Dieselautos sind eine Hauptursache für die schlechte Luft.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte deswegen geklagt. Sie wollte ursprünglich erreichen, dass im gesamten Berliner S-Bahn-Ring und auf einigen weiteren Straßen keine älteren Diesel mehr fahren dürfen. Während der Verhandlung zog die DUH diese Forderung zurück, hielt aber an Verboten auf einigen Strecken fest.

Die rot-rot-grüne Landesregierung wollte Fahrverbote verhindern, vor allem eine weiträumige Sperrung in der ganzen Innenstadt. Die Senatsverkehrsverwaltung hatte deshalb eine Reihe anderer Maßnahmen vorgeschlagen: neue Abgasfilter für Busse, E-Auto-Förderprämien für Unternehmer, bis 2030 nur noch Elektrobusse und neue Radwege. Derzeit testet die Landesregierung auch, ob es hilft, wenn auf einigen Hauptstraßen Tempo 30 gilt. Die Ergebnisse liegen laut Senatsverkehrsverwaltung aber noch nicht vor.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Marticke sagte, „zwingend notwendige Maßnahmen“ dürften nicht mit der Begründung hinausgezögert werden, dass die Ergebnisse weiterer Untersuchungen abgewartet werden sollen. Eine EU-Richtlinie, die Grenzwerte bei Stickoxiden einzuhalten, gelte seit Anfang 2010. Es sei „zeitlich das Ende der Fahnenstange“ erreicht.

„Der teilweise rückläufige Trend, der nicht zur Einhaltung der Grenzwerte führt, genügt nicht“, sagte Marticke. Er machte zugleich deutlich, dass ein Diesel-Fahrverbot für die gesamte Umweltzone, die große Teile der Innenstadt umfasst, nicht zwingend nötig sei. Denn an vielen Orten in der Umweltzone würden die Grenzwerte eingehalten.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote für zulässig erklärt - wenn sie verhältnismäßig sind. In Hamburg sind zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. Daneben ist etwa in Stuttgart 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt von Frankfurt am Main von 2019 an angeordnet.

Offen ist, wie gut ein Fahrverbot in Berlin kontrolliert werden kann. Dies bezeichnete Senatorin Günther als „große Achillesferse“. Kontrollen könne es nur „stichprobenartig“ geben. Wie hoch Strafen sein sollten, stehe noch nicht fest. Zu Sanktionen gegen Fahrer von Euro-6-Dieselautos gebe es laut Gericht keine Verpflichtung, sagte sie. Das gehöre zu den Themen, die noch diskutiert werden müssten.

Eine Frage ist auch, ob die Entscheidung den Kurs der Bundesregierung in der Dieselkrise verändert. Die große Koalition hatte sich nach langem Ringen auf neue Maßnahmen geeinigt, um Fahrverbote zu verhindern. Neue Kaufanreize sowie technische Nachrüstungen zielen auf 14 besonders belastete Städte wie München oder Stuttgart.

Vor allem bei den Nachrüstungen sind aber noch viele Punkte offen. Die Hersteller wollen nicht die vollen Kosten übernehmen. Berlin könnte nun zu den 14 Städten hinzukommen. Eine solche  „Hintertür“ hatte die Koalition für Städte eröffnet, in denen Gerichte Fahrverbote anordnen.

Die Opposition warf der Berliner Landesregierung vor, nicht genug gegen Fahrverbote unternommen zu haben. Die Entscheidung sei eine „Ohrfeige für den Senat“, kritisierte der CDU-Abgeordnete Oliver Friederici. Die FDP forderte, die Fahrverbote auf einzelnen Strecken so weit wie möglich einzugrenzen. Die AfD unterstellte der Regierung, ihr Ziel sei es, die Zahl der Autos in der Stadt „immer weiter zu minimieren“. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg warnten, Streckensperrungen könnten Staus und noch mehr Abgase bringen, weil die Menschen dann Umwege fahren würden.