Der Münchener Busbauer MAN leidet schon seit längerer Zeit unter einen stark rückläufigen Absatz bei Reise- und in geringerem Ausmaß auch bei den Stadtbussen. Von 2019 ist der Absatz von 7.400 auf 4.600 im vergangenen Jahr zurückgegangen. Dieser Niedergang habe sich 2022 fortgesetzt. Bis Ende Oktober wurden mit dem Löwen- und Neoplan-Logo nur rund 2.837 Busse verkauft. Im MAN-Werk in Starachowice, in den ausschließlich Stadtbusse und vermehrt Elektrobusse gebaut werden, hatte es deshalb schon seit längerer Zeit Gerüchte um bevorstehende Entlassungen gegeben. Nun macht MAN ernst, versucht aber, das Aufsehen in regionalen Grenzen zu halten.

Eine nur in polnisch im Land veröffentlichten Mitteilung von MAN heisst es: "Aus diesen Gründen ist es dringend notwendig, die Struktur dieses Geschäftsbereichs anzupassen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein umfassendes Maßnahmenpaket festgelegt. Die Einnahmeseite soll durch Verkaufsmaßnahmen verbessert werden. Einsparungen werden durch die Reduzierung von Material-, Energie-, Produktions- und Entwicklungskosten erzielt. Außerdem will das Unternehmen die Personalkosten in der internationalen Produktionsstruktur im Busbereich senken."

„Dass diese Entlassungen jetzt in einem solchen Umfang ausfallen, damit hatte niemand gerechnet,“ so der auf die polnische Wirtschaft spezialisierte Pressesdienst infoPOL.PRESS, der zuerst über die Entlassungen berichtete. Wie MAN bekanntgab, sollen 860 Arbeitsplätze in Starachowice gestrichen werden. Das ist rund ein Drittel der Belegschaft. In dem ehemaligen STAR-Werk, wo seit über 20 Jahren Niederflur-Busse für den Stadtverkehr produziert werden, waren bisher rund 3500 Mitarbeiter beschäftigt. „Eine Entlassung in dieser Größenordnung hat es in Polen schon seit Jahren nicht mehr gegeben“, so der Branchendienst.

Die Entlassungen wurden am Vorabend der polnischen Nationalfeiertages bekannt gegeben – erstaunlich, achtet MAN in der Türkei doch peinlich genau auf jeden politischen Feiertag zu Ehren von Staatsgründer Atatürk, und postet dies fortlaufend auf den sozialen Medien, ohne von Münchener Kommunikatoren eingefangen zu werden. „Es könne nicht sein, dass von heute auf morgen mehrere Hundert Mitarbeiter entlassen werden“, kommentierte der Vorsitzende der Solidarność-Betriebsgewerkschaft, Kamil Seweryn, die in München getroffene Entscheidung laut infoPOL.PRESS. Auch für die 40 000-Einwohner-Stadt Starachowice im Südosten von Polen bedeutet die angekündigte Entlassungswelle ein Schock. MAN ist dort bisher der größte Arbeitgeber. MAN-Vorstand Michael Kobriger sagt hierzu: "Wie in der Vergangenheit ist sich MAN seiner sozialen Verantwortung bewusst und will in den kommenden Wochen mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, um tragfähige Lösungen für das Unternehmen und die Beschäftigten in Starachowice zu finden." Zuletzt hatte MAN 2021 sein letztes Neoplan-Buswerk in Plauen mit rund 120 Beschäftigten an den Spezialaufbauer Binz verkauft und damit seine letzten Produktionskapazitäten in Deutschland abgebaut.

 

Nur noch acht Busse sollen täglich vom Band laufen

Für die Fortsetzung der Produktion in den beiden europäischen MAN-Buswerken in Starachowice und Ankara solle die tägliche Produktionskapazität an die aktuelle Markt-Situation angepasst werden. In Starachowice würden künftig nur noch acht statt bisher zwölf Busse produziert, erklärte Michael Kobriger, Produktions-Vorstand von MAN Truck & Bus SE. Für die damit einhergehende Streichung von 860 Arbeitsplätzen werde man in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften sozialverträgliche Lösungen erarbeiten. Der Vorstand schlägt dazu eine Verlagerung von Arbeitskräften in das jüngste Lkw-Montagewerk von MAN in der Nähe von Krakau (Niepołomice) und nach Banovce in die benachbarte Slowakei vor.

 

MAN lässt ein Drittel seiner Mitarbeiter in Polen im Regen stehen.                                Foto: MAN Truck & Bus.

 

Gewerkschafter kritisieren den Konzern stark

Der Gewerkschaftschef Kamil Seweryn empfindet die Vorschläge laut infoPOL-PRESS „als Hohn“. Bei der beschränkten Arbeitsplatz-Situation in diesen MAN-Werken bleibe für die Mitarbeiter in Starachowice, die von der Arbeitsplatz-Streichung betroffen sind, „kaum etwas übrig“. Die Entscheidung zum massiven Arbeits-Abbau in Starachowice wird laut der Agentur-Meldung nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass es im polnischen MAN-Buswerk in der Vergangenheit zu keiner Einigung mit den Gewerkschaften zur Einführung eines flexiblen Arbeitszeit-Modells kam. In der zweiten MAN-Busfabrik in der Türkei verläuft die Tätigkeit bisher weitgehend normal – hier können neben Reise- und Überlandbussen flexibel auch Stadtbusse (außer Elektrobusse) produziert werden. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden dort 1.318 Busse produziert, 90 Busse mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Grund hierfür dürften neben der starken Verlagerung der Entwicklungs- und Erprobungsfazilitäten auch die schwache türkische Währung sein, die den Export aus dem Land stark verbilligt. Zudem werden im Rahmen der 100-jährigen Staatsgründungsfeiern 2024 große staatliche Investitionen und Förderungen erwartet. Unverständlich bleibt aber, dass gerade das Werk, dass die Hauptverantwortung für die neuerliche Elektrooffensive im Busbereich schultern soll, unter derart massivem Mitarbeiterabbau leiden soll.

Vor allem für die angekündigte Elektrobusoffensive hat das MAN-Werk eine große Bedeutung.    Foto: MAN Truck & Bus