Andreas Theis ist verärgert. Zurecht. Er wurde als Vertreter der Reisebusbranche zu der MDR-Sendung „Fakt ist!“ zum Thema „Märkte, Messen, Menschenmassen – Wie läuft das in Corona-Zeiten?“ am 19. Oktober eingeladen und wurde von Siegen aus in die Sendung in Erfurt zugeschaltet. Er sollte sich zum Thema Weihnachtsmarkt in Erfurt äußern und die für die Reisebusunternehmen wirtschaftlich schwierige Lage sowie die Unplanbarkeit von Reisen u.a. zu den Weihnachtsmärkten verdeutlichen. In der Regel fährt Theis jedes Jahr mit mehreren Reisebussen auf den Erfurter Weihnachtsmarkt. Doch dieses Jahr steht es noch in den Sternen, ob und welche Weihnachtsmärkte der Geschäftsführer des Busreiseveranstalters Ideal Reisen in Siegen überhaupt anfahren darf. Der Erfurter Weihnachtsmarkt war zu diesem Zeitpunkt (19. Okt.) noch nicht abgesagt worden. Busgruppen sind in der Adventszeit in Erfurt unerwünscht. Das bestätigte Tobias J. Knoblich, Dezernent für Kultur und Stadtentwicklung Erfurt, in der MDR-Sendung. Knoblich verwies auf die aktuell komplizierte Situation und sagte, „Ich bin froh, wenn die 1.500 Reisebusse, die sonst zum Weihnachtsmarkt kommen, dieses Jahr nicht erscheinen.“ Am 26. Oktober wurde der Erfurter Wihnachtsmarkt dann abgesagt.
Die Reisebusbranche ins schlechte Licht gerückt hat vor allem Infektiologe Mathias Pletz mit seinen Äußerungen. Er sagte: „Der Reisebus per se stellt für mich eine Gefahr da.“ Seine Begründung: In Thüringen habe es einen Corona-Ausbruch gegeben, der auf eine Busreise zurückzuführen gewesen sei. Man sitze ja schließlich mehrere Stunden mit vielen Menschen im Bus, unterhalte sich und wahrscheinlich würden auch die Masken abgenommen – wodurch sich das Virus gut ausbreiten könne. Diese Halbweisheiten sind es, die u.a. der Busbranche seit Beginn der Corona-Krise zusetzen. Dem Infektiologen sei die aktuelle Studie der TU Berlin empfohlen, die besagt, dass Reisebusse ein sehr geringes Infektionsrisiko bergen, doch dazu später mehr.
„Dolchstoß für die gesamte Bustourismusbranche“
Zurück zu Andreas Theis, der erst wesentlich später nach der Sendung die Aussagen von Knoblich und Pletz zum Reisebus mitbekam. Denn, nach seinem kurzen virtuellen Auftritt wurde er aus dem Siegener Studio herausbefördert, weil die Herrschaften Feierabend machen wollten, erzählte Theis dem Bus Blickpunkt. Also hatte er keine Gelegenheit mehr dazu, die Sendung mitzuverfolgen oder sich zu Wort zu melden. „Ein paar Takte hätte ich noch gerne dazu sagen sowie das eine oder andere richtigstellen wollen, aber die Gelegenheit hatte ich ja gar nicht“, sagt er verärgert.
Seinem Ärger Luft machte Theis in einer E-Mail, die er anschließend an die MDR-Moderatoren schrieb: „Fakt ist, dass ‚Fakt ist...!‘ aus Erfurt nicht wirklich viel mit Fakten und seriösem, unabhängigem Journalismus zu tun hat. Die teils sehr unsachlichen bzw. nicht belegten Äußerungen der Moderatoren und sogenannten Experten zum Thema Reisebus bzw. Busreisen(de) waren ein weiterer (möglicherweise von wem auch immer gewollter) ‚Dolchstoß‘ für die gesamte Bustourismusbranche, die sich nur wünschen kann, dass die Einschaltquote dieser Sendung möglichst niedrig ausgefallen ist.“
Fahrten in Reisebussen bringen kein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich
Den Äußerungen des Infektiologen Mathias Pelz steht die wissenschaftliche Untersuchung der TU Berlin entgegen: Demzufolge die Ansteckungsgefahr in Reisebussen – übrigens auch in Linienbussen – sehr gering ist. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Daimler Buses durchgeführt. Untersucht wurde die Konzentration von Aerosolen (als Übertragungsweg für Corona-Viren) in Reisebussen im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Lüftungs- und Klimaanlagen sowie Filtern. Ergebnis: Die Aerosol-Belastung in Reisebussen liegt dank der fortschrittlichen Technik deutlich unter der in maschinell gelüfteten Büroräumlichkeiten. Das Zusammenspiel von Lüftungsanlage und hochwirksamen Filtern, sorgt dafür, dass die Reisenden sogar nach vier Stunden Busfahrt noch nicht die für eine Infektion mit Corona kritische Schwelle von 3.000 beladenen Aerosolen eingeatmet haben.
Gustav Tuschen, Leiter Entwicklung Daimler Buses sagte bei der Präsentation der Untersuchungsergebnisse: Der Bus ist einer der sichersten Räume“. Diese Studie der TU Berlin habe gezeigt, dass die Maßnahmen in Omnibussen von Evobus, wie beispielsweise der Einsatz von Aktivfiltern mit antiviraler Beschichtung, den Bustourismus sicherer machen könne.
Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer teilte heute (27.10.) in Zusammenhang mit dieser Studie mit: „Demzufolge sorgen unter anderem die Vorkehrungen der Busbranche sowie die technischen Voraussetzungen der Fahrzeuge dafür, dass Busse nicht als kritisch in Hinblick eine Infektionsgefahr zu betrachten sind. Neue Antivirale Hochleistungspartikelfilter können für noch mehr Sicherheit sorgen. Entsprechende Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen hat Anfang dieser Woche der Untersuchungsbericht des Hermann-Rietschel-Instituts der Technischen Universität Berlin in einer Studie für Daimler Buses zutage gebracht.
Martin Kriegel, Leiter des Instituts, sagte zu den gewonnenen Ergebnissen: „Die Situation in Reisebussen mit einem raschen Luftwechsel ist im Vergleich zu anderen täglichen Situationen nicht besonders kritisch für die Fahrgäste zu bewerten, sofern die AHA-Regeln eingehalten werden. Es besteht also nur ein sehr geringes Risiko, selbst wenn ein Infizierter Teil einer Reisegruppe sein sollte.“
Christiane Leonard, BDO-Hauptgeschäftsführerin unterstrich die Bedeutung derartiger wissenschaftlicher Erkenntnisse beim Umgang mit der Corona-Pandemie: „Die Gesundheit der Fahrgäste hat für Busunternehmen stets höchste Priorität. Die aktuellen Ergebnisse der TU-Studie liefern einen weiteren Beleg dafür, dass Fahrten in Reisebussen unter verantwortungsvollen Bedingungen kein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen. Die vorgelegten Erkenntnisse bestätigen damit, was das Robert Koch-Institut bislang in seiner Analyse der Orte und Situationen herausgefunden hat, die für den Großteil der Corona-Infektionen in Deutschland verantwortlich sind: Öffentliche Verkehrsmittel wie der Bus sind ausdrücklich nicht Treiber der Pandemie. Derartige wissenschaftliche Erkenntnisse sind wichtig für den richtigen Umgang mit dem zunehmenden Infektionsgeschehen und sollten die Basis für alle weiteren Entscheidungen sein.“
Einen ausführlichen Bericht über die Studie von TU Berlin lesen Sie in der November-Ausgabe des Bus Blickpunkt.